Seite:Hermann von Bezzel - Predigt am Sonntag Exaudi 1912.pdf/6

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Gewalt sich ängsten möchte und doch in dieser Unansehnlichkeit, so voller Glanz des hoffnungsreichen Lebens, so voll weltüberwindender Größe.

 Diesem Worte sieht es niemand an, daß Tausende seinetwegen Leben, Ehre, Lebensglück verließen. Diesem Worte traut es niemand zu, daß große Männer all ihr Denken und Dichten, all ihre Einbildungskraft und Hochflut der Gedanken ihm zulieb hingaben, damit das Wort sein Werk ausrichten möchte. Wer weiß, wie viele Sterbende dieses Wortes Armut mit dem letzten Wort ihres Lebens gesegnet haben! Wer mags zählen, in wie vielen Witwenstuben, aber auch in wie vielen Forschungskammern dieses Wort gepriesen und geehrt worden ist!

 Denker haben um dieses Wort sich gemüht, daß sie es begreifen möchten; Dichter ihm zu Ehren die Harfen gestimmt, daß sie es preisen könnten. Maler und Meister haben dieses Wortes Reinheit und Größe malen und darstellen wollen – und niemand hat es je erreicht. –

 Begreift ihrs nun, Geliebte, warum der Herr mit diesem unscheinbaren Wort so getrost durch die Welt geht? Es ist der Liebesgedanke seines Vaters, in das arme, fehlsam scheinende Wort gelegt, es ist die Ewigkeitsgnade mit diesem unansehnlichen Wort vermählt! Es hat Ewigkeit und Ewigkeitsleid um dieses Wortes Entstehung sich gemüht. –

 Ewigkeit in die Zeit – göttlicher Reichtum in menschlicher Armut, Trostes die Fülle in menschlicher Not und Leidensfragen! – Es ging ein Säemann aus, zu säen seinen Samen!

 Ihr Kinder des 20. Jahrhunderts – hoch im Denken, groß im Forschen – und doch oft so arm und geängstet, hat vielleicht der Säemannsweg nur noch Bedeutung für euch als geschichtliche Größe einer Persönlichkeit, hat sein Gang durch die Welt nur noch Reiz für euch, – ästhetischen Reiz? Diese Treue der Selbstlosigkeit ergreift, diese schlichte Anspruchslosigkeit zieht an, aber seine innere Bedeutung an euch und für euch hätte das Wort verloren? Wäre es an dem, daß das 20. Jahrhundert klärlich nachweist, dieses Wort aus einem beschränkten Weltwesen erwachsen, könne darum nicht mehr Weltweiten befriedigen?

 Liebe Christen! Ein klarer Zweifel, ein ernstes Bedenken gegen das Wort, ist besser, als die stumpfe Hinnahme ohne den Dank für das Ewigneue in Jesu Namen und Gnade. All die Fragen, ob das Wort genügt, all die Sorge, ob nicht eines Neuen zu warten sei, dieses suchende, tastende, flehende Interesse unserer Tage – wer gibt mir Brot, daß wir essen? – so schwer es manchmal auf die Seele fällt, ist doch ein Angeld für das ewige Heimweh, das durch die Welt geht und eine Bürgschaft

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Predigt am Sonntag Exaudi 1912. Verlag der Buchhandlung des Vereins für innere Mission, Nürnberg 1912, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Predigt_am_Sonntag_Exaudi_1912.pdf/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)