Seite:Hermann von Bezzel - Warum bleiben wir bei unserer Kirche.pdf/18

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

 Gewiß ist die Taufe ein Schatz, der mit Wucher umgetrieben werden soll: wir müssen werden, was wir sind. Man kann den Taufschatz im Schweißtuch vergraben und ihn ungenützt lassen. Aber der höchste Schatz wird doch in der Taufe gegeben. Wir wissen auch etwas von Belehrung, die eintreten muß, „so oft man verkehrt war“, die keine einmalige Tatsache, auch nicht das „Sichhineinstürzen in ein Leben göttlicher Sorglosigkeit“ ist, sondern eine täglich sich wiederholende Arbeit. Aber eben Arbeit nicht um ein zu gewinnendes, sondern um ein gewonnenes Gut, nicht Erwerbung, sondern Erfassung des Erbes. Das herrliche Tauflied von Paul Gerhardt: „Du Volk, das du getaufet bist!“ ist den Neuerern wohl nicht geläufig:

„Es macht dies Bad von Sünden los
Und gibt die rechte Schöne.
Die Satans Kerker vor beschloß,
Die werden frei und Söhne
Des, der da trägt die höchste Kron:
Der läßt sie, was sein einger Sohn
Ererbt, auch mit ihm erben.“

„Die Taufe der Eingang in den Vorhof!“ Und dazu das apostolische Wort: „ihr seid gewaschen“, „ihr seid gereinigt“! Ist das nicht Vollbesitz der seligen Güter in Vergebung der Sünden, in Leben und Seligkeit? Gerade die Geringschätzung der Taufe und der in ihr geschenkten Rechtfertigung wirkt die bedenklichen Fehler in der Auffassung der Heiligung, wie wir noch sehen werden. Wo nicht der Reichtum ganz empfangen ist, kann seine Verwendung auch nicht ganz klar und richtig sein.

 Zum grundlegenden das aufbauende und erbauende Sakrament des Altars! Das Nachtmahl, diese Kraft der Liebe mitten in und gegenüber unserem Verrate, versichert uns nicht nur seiner alle Sünde überwindenden Gnade aufs neue, sondern setzt uns in stete Beziehung zu seinem Heilstod und läßt die in ihm gepflanzten Reben an ihm erstarken. Aber nicht also, als ob das heilige Abendmahl eingesetzt wäre als Bewahrung des großen Geheimnisses „Christus in uns“, sondern als gnadenreiche Zueignung des „Christus für uns“! Das Abendmahl ist nicht zum Liebesmahl unter den Seinen allein umzugestalten, sondern die Gemeinschaft seines Todes und die Teilnahme an seiner Treue und die Gewißheit seiner Fürbitte sind die Früchte. „Mein Jesu, der du vor dem Scheiden“, dieses tiefe Lied von Rambach, muß sich nun so manche Umdichtung gefallen lassen, weil man sich nicht mehr an die Worte hält, so da stehen.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann von Bezzel: Warum bleiben wir bei unserer Kirche?. Buchhandlung der Diakonissenanstalt, Neuendettelsau 1906, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermann_von_Bezzel_-_Warum_bleiben_wir_bei_unserer_Kirche.pdf/18&oldid=- (Version vom 10.9.2016)