seinem Nachbar, man könnte über die Köpfe wegschreiten, es würde Keiner auf den Boden kommen, so dichtgedrängt war die Masse Volkes.
Und wie wohnte sie der Vorstellung an? Daß nicht Alle gerührt wurden und die Gerührten auch wieder lachen konnten, wer mag Das verwunderlich finden? Der gesunde derbe Sinn unseres Volkes bricht auch bei traurigen Anlässen gerne durch, und einem Herzen kann es bitterer Ernst und ein schmerzliches Leid sein, und doch lächelt es auch wieder durch die Thränen heraus.
Daß viele Weltlichkeit sich einschlich, und mancher leichtsinnige Gesell nur um des Spektakels willen mitmachte, wer wollte es bezweifeln? Die Juden schlugen so grob auf den kreuztragenden Christus ein, daß Einer unter seinem Kreuze hervor einmal rufen mußte: „Jetzt macht es nur gnädig.“ Die Teufel, welche den Zug beim Gange durch die Straßen der Stadt umschwärmten, trieben allerhand Possen mit den Leuten, die in den Straßen wogten.
Aber wenn der Herr an den Oelberg ging, wurde ein allgemeines Schluchzen laut, und in Freud und Leid erinnert sich manches Gemüth bis auf diesen Tag der ersten Eindrücke des Spieles aus der längst vergangenen Jugendzeit. So sagte mir eine Frau, die mir über das Spiel erzählen mußte, gleich bei meiner ersten Frage: Es sei noch keine Stunde, daß sie an einen Spruch gedacht. Man habe sie erzürnen
Franz Joseph Holzwarth: Passionsbilder. Franz Kirchheim, Mainz 1856, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Holzwarth_Passionsbilder.djvu/134&oldid=- (Version vom 1.8.2018)