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Worts, und beide müssen einander im Denken durch Rede möglichst nahe begleiten. Denn wie die Stärke der Reflection Trennung und Individualisirung der Töne durch Artikulation hervorbringt, so muß diese wieder trennend und individualisirend auf den Gedankenstoff zurückwirken und es ihm möglich machen, vom Ungeschiedenen ausgehend und zum Ungeschiedenen, der absoluten Einheit, hinstrebend, diesen Weg durch Trennung zurückzulegen.

17. Das Denken ist aber nicht bloß abhängig von der Sprache überhaupt, sondern bis auf einen gewissen Grad, auch von jeder einzelnen bestimmten. Man hat zwar die Wörter der verschiedenen Sprachen mit allgemein gültigen Zeichen vertauschen wollen, wie dieselben die Mathematik in den Linien, Zahlen und der Buchstabenrechnung besitzt. Allein es läßt sich damit nur ein kleiner Theil der Masse des Denkbaren erschöpfen, da diese Zeichen, ihrer Natur nach, nur auf solche Begriffe passen, welche durch bloße Construction erzeugt werden können, oder sonst rein durch den Verstand gebildet sind. Wo aber der Stoff innerer Wahrnehmung und Empfindung zu Begriffen gestempelt werden soll, da kommt es auf das individuelle Vorstellungsvermögen des Menschen an, von dem seine Sprache unzertrennlich ist. Alle Versuche, in die Mitte der verschiedenen einzelnen allgemeine Zeichen für das Auge, oder das Ohr zu stellen, sind nur abgekürzte Uebersetzungsmethoden, und es wäre ein thörichter Wahn, sich einzubilden, daß man dadurch, ich sage nicht aus aller Sprache, sondern auch nur aus dem bestimmten und beschränkten Kreise seiner eigenen hinausträte. Es läßt sich zwar allerdings ein solcher Mittelpunkt aller Sprachen suchen und wirklich finden, und es ist nothwendig, ihn auch bei dem vergleichenden Sprachstudium, sowohl dem grammatischen als lexicalischen Theile, nicht aus den Augen zu verlieren. Denn in beiden giebt es eine Anzahl von Dingen, welche ganz a priori bestimmt und von allen Bedingungen einer besondern Sprache getrennt werden können. Dagegen giebt es eine weit größere Menge von Begriffen und auch grammatischen Eigenheiten, die so unlösbar in die Individualität ihrer Sprache verwebt sind, daß sie weder am bloßen Faden der innern Wahrnehmung zwischen allen schwebend erhalten, noch ohne Umänderung in eine andere übertragen werden können. Ein sehr bedeutender Theil des Inhalts jeder