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Sprache steht daher in so unbezweifelter Abhängigkeit von ihr, daß ihr Ausdruck für ihn nicht mehr gleichgültig bleiben kann.

18. Das Wort, welches den Begriff erst zu einem Individuum der Gedankenwelt macht, fügt zu ihm bedeutend von dem Seinigen hinzu, und indem die Idee durch dasselbe Bestimmtheit empfängt, wird sie zugleich in gewissen Schranken gefangen gehalten. Aus seinem Laute, seiner Verwandtschaft mit andern Wörtern ähnlicher Bedeutung, dem meistentheils in ihm zugleich enthaltenen Uebergangsbegriff zu dem neu bezeichneten Gegenstande, welchem man es aneignet, und seinen Nebenbeziehungen auf die Wahrnehmung oder Empfindung, entsteht ein bestimmter Eindruck, und indem dieser zur Gewohnheit wird, trägt er ein neues Moment zur Individualisirung des in sich unbestimmteren, aber auch freieren Begriffs hinzu. Denn an jedes irgend bedeutendere Wort knüpfen sich die nach und nach durch dasselbe angeregten Empfindungen, die gelegentlich hervorgebrachten Anschauungen und Vorstellungen, und verschiedene Wörter zusammen bleiben sich auch in den Verhältnissen der Grade gleich, in welchen sie einwirken. So wie ein Wort ein Object zur Vorstellung bringt, schlägt es auch, obschon oft unmerklich, eine zugleich seiner Natur und der des Objects entsprechende Empfindung an, und die ununterbrochene Gedankenreihe im Menschen ist von einer eben so ununterbrochenen Empfindungsfolge begleitet, die allerdings durch die vorgestellten Objecte, allein zunächst und dem Grade und der Farbe nach, durch die Natur der Wörter und der Sprache bestimmt wird. Das Object, dessen Erscheinung im Gemüth immer ein durch die Sprache individualisirter, stets gleichmäßig wiederkehrender Eindruck begleitet, wird auch in sich auf eine dadurch modificirte Art vorgestellt. Im Einzelnen ist dieß wenig bemerkbar; aber die Macht der Wirkung im Ganzen liegt in der Gleichmäßigkeit und beständigen Wiederkehr des Eindrucks. Denn indem sich der Charakter der Sprache an jeden Ausdruck und jede Verbindung von Ausdrücken heftet, erhält die ganze Masse der Vorstellungen eine von ihm herrührende Farbe.

19. Die Sprache ist aber kein freies Erzeugniß des einzelnen Menschen, sondern gehört immer der ganzen Nation an; auch in dieser empfangen die späteren Generationen dieselbe von früher da gewesenen Geschlechtern. Dadurch daß