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sich in ihr die Vorstellungsweise aller Alter, Geschlechte, Stände, Charakter- und Geistesverschiedenheiten desselben Völkerstamms, dann durch den Uebergang von Wörtern und Sprachen verschiedener Nationen, endlich bei zunehmender Gemeinschaft des ganzen Menschengeschlechts mischt, läutert und umgestaltet, wird die Sprache der große Uebergangspunkt von der Subjectivität zur Objectivität, von der immer beschränkten Individualität zu Alles zugleich in sich befassendem Dasein. Erfindung nie vorher vernommener Lautzeichen läßt sich nur bei dem, über alle menschliche Erfahrung hinausgehenden Ursprung der Sprachen denken. Wo der Mensch irgend bedeutsame Laute überliefert erhalten hat, bildet er seine Sprache an sie an, und baut nach der durch sie gegebenen Analogie seine Mundart aus. Dieß liegt in dem Bedürfniß, sich verständlich zu machen, in dem durchgängigen Zusammenhange aller Theile und Elemente jeder Sprache und aller Sprachen unter einander und in der Einerleiheit des Sprachvermögens. Es ist auch selbst für die grammatische Spracherklärung wichtig, fest im Auge zu behalten, daß die Stämme, welche die auf uns gekommenen Sprachen bildeten, nicht leicht zu erfinden, aber da, wo sie selbstthätig wirkten, das von ihnen Vorgefundene zu vertheilen und anzuwenden hatten. Von vielen feinen Nuancen, grammatischer Formen läßt sich nur dadurch Rechenschaft geben. Man würde schwerlich verschiedene Bezeichnungen für sie erfunden haben; dagegen war es natürlich, die schon vorhandenen verschiedenen nicht gleichgültig zu gebrauchen. Die Hauptelemente der Sprache, die Wörter, sind es vorzüglich, die von Nation zu Nation überwandern. Den grammatischen Formen wird dieß schwerer, da sie, von feinerer intellectueller Natur, mehr in dem Verstande ihren Sitz haben, als materiell und sich selbst erklärend an den Lauten haften. Zwischen den ewig wechselnden Geschlechten der Menschen, und der Welt der darzustellenden Objecte stehen daher eine unendliche Anzahl von Wörtern, die man, wenn sie auch ursprünglich nach Gesetzen der Freiheit erzeugt sind, und immerfort auf diese Weise gebraucht werden, eben sowohl, als die Menschen und Objecte, als selbstständige, nur geschichtlich erklärbare, nach und nach durch die vereinte Kraft der Natur, der Menschen und Ereignisse entstandene Wesen ansehen kann. Ihre Reihe erstreckt sich so weit in das Dunkel der Vorwelt hinaus, daß sich der Anfang nicht mehr bestimmen läßt; ihre Verzweigung umfaßt das ganze Menschengeschlecht,