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ob von ihr kein Lied, kein Heldenbuch meldet, ihre Bedeutung ist doch nicht zu unterschätzen. Selbst die geringe Liebesmühe, daß Frauen und Mädchen die ausrückenden und durchziehenden Truppen und die Verwundeten an den Bahnhöfen bewirteten, so daß mancher Soldat sich wie ein reisender Prinz fühlte, hat viel dazu beigetragen, den köstlichen Kriegshumor zu wecken, der nachher aus den öden, kugelumschwirrten Schützengräben und Erdhöhlen weiter hervorblühte.

Das typische Frauenleben ist passiver und genießender Art. Diese Eigenschaften schätzt man als Frauentugend, und sie tragen vieles bei zur Erwärmung des deutschen Heims, anderseits gedeihen unter ihrer lauen Wärme in der Abgeschlossenheit von der Welt mit ihren Umwälzungen manche Gewächse, die wir heute nur noch als Unkraut ansehen können, wie Standeshochmut, Geldstolz und soziale Gleichgültigkeit. Der Krieg hat das Stilleben der Frau überall aufgestört; hier klopfte er mit unbarmherziger Stahlfaust an die Pforte des schützenden Heims, dort lehrte er die Frau haushalten, wie die Krieger aushalten, mit Entbehrungen und Strapazen, dort forderte er den Mann zu den Fahnen und zwang der Frau die Zügel seines Geschäfts in die Hand, bei der ganzen deutschen Frauenwelt rüttelte der Krieg das Gemeinsamkeitsgefühl auf, und das mancher Frau und Mutter auferlegte Märtyrerinnenkreuz hat deren Seelen bedrückt und eben durch diesen Druck ihren Inhalt verbessert und veredelt. Der Sturm hat manche Seele vertieft und versunkene Schätze zutage gefördert.

Diese überblickende Betrachtung der Zusammenhänge zwischen dem Frauenleben und dem Weltkrieg 1914/15 möchte die folgenden Erzählungen ergänzen, in denen sich einzelne Frauenschicksale auf dem düsteren Hintergrunde des blutigen Völkerringens abspielen, und der Graus des Krieges sich in den Frauenherzen spiegelt, wie im Tautropfen der Blitz. Durch den Donner des entfesselten Gewitters soll in diesen Erzählungen das Sehnen und Hoffen

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Aurel von Jüchen: Frauenleben im Weltkriege. Xenien-Verlag, Leipzig 1915, Seite 11. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:J%C3%BCchenFrauenlebenImWeltkriege.pdf/13&oldid=- (Version vom 1.8.2018)