Zum Inhalt springen

Seite:Jahn Das Volksmaerchen in Pommern.djvu/17

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

da diese durchaus germanischen Ursprungs sind, so sind auch die Märchen ein neuer Beweis für das unverfälschte Germanenthum der Pommern, zumal der mittleren und westlichen Hinterpommern und ferner für die ethnologische und mythologische Bedeutung, welche jede Märchensammlung, die aus echten volksthümlichen Quellen geschöpft, ist für sich in Anspruch nehmen darf.

Endlich trägt sehr viel zur Veränderlichkeit des Märchens bei, die Sucht zu vervielfältigen und zu verbinden. Hat der Held eine Gefahr bestanden, so ruht der dichtende Volksgeist nicht eher, bis er aus der einen Gefahr drei gemacht hat, und diese werden wieder, je nach dem, zu sechs und zu neun verdoppelt und verdreifacht. Aus einer verwünschten Prinzessin werden drei, ebenso aus dem bösen Drachen, oder er bekommt statt des einen Kopfes drei, sechs, neun oder gar zwölf Häupter. Aus einem Wunschding werden drei, und so weiter. – Dasselbe ist es mit der Sucht zu verbinden. Märchen, welche ähnliche Stoffe behandeln, sucht der dichtende Volksgeist zu kombiniren: aus den vielen kleinen Märchen vom dummen Hans erhalten wir wenige große, am Ende wohl gar eine umfangreiche Dummhansiade. Ebenso geht es dem starken Hans, dem Däumling und vielen anderen Stoffen.

Das sind jedoch nicht spezifisch pommersche Eigenthümlichkeiten. Die Sucht der Vervielfältigung finden wir beispielsweise schon in dem Liede vom hörnernen Siegfried, und der Sucht der Verbindung verwandter Stoffe verdanken die Faust- und die Rübezahlssage, das Buch von den Schildbürgern, Eulenspiegel u. s. w. ihr Dasein. Ueberhaupt verwahre ich mich vor dem Anschein, als ob, was ich hier aus dem pommerschen Märchen entwickelt habe, darum auch nur für die pommerschen Märchen von Gültigkeit wäre. Genau wie die pommerschen Märchen sind, wenn auch vielleicht nicht ganz so alterthümlich und reichhaltig, die Märchen der andern niederdeutschen Stämme. Es ist Schuld der Forscher, wenn sie über die Märchenarmuth klagen. Wenn z. B. Müllenhoff

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Jahn: Das Volksmärchen in Pommern. Hessenland, Stettin 1887, Seite 136. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Das_Volksmaerchen_in_Pommern.djvu/17&oldid=- (Version vom 1.8.2018)