Es war einmal ein Kuhhirt, der hatte viele Jahre lang die Kühe im Dorf zur Weide getrieben und war darüber alt und grau geworden. Aber wie das so geht! Gar mancher von den Bauern hatte ihn mit der Zeit satt bekommen.
„Er ist zu dicknäsig und dreist,“ sagten sie, „eine Kuh steht ihm nur zu, und er treibt ihrer zwei auf den Dreischlag.“
„Aber er ist ehrlich, und das Vieh hat sein gutes Gedeihen,“ sagten die andern.
So stritten sie hin und stritten her, endlich wurden sie dahin einig, er solle die Stelle behalten, wenn er die eine Kuh abschaffen würde. Das war eine harte Nuß für den Hirten; doch was half’s! Er schlachtete das Rind und legte das Fleisch in Salz, die Haut wickelte er zusammen und machte sich damit auf den Weg, um sie in der Stadt an den Gerber zu verkaufen.
Es war Winterszeit, und der Schnee fiel in dichten Flocken, daß kein Weg und Steg zu sehen war. Das machte die Reise beschwerlich, und der Hirt ermüdete sehr. Indem er nun seine Straße dahin wankte, fiel eine erfrorene Krähe halb tot aus der Luft zu seinen Füßen
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/125&oldid=- (Version vom 1.8.2018)