Seite:Jahn Schwaenke und Schnurren aus Bauernmund.djvu/35

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

schwarzen Roß, ein Windspiel lief gegen ihm auf, und einen Falken trug er auf seiner Hand.

„Heda, guter Freund“, rief ihm der alte Graf zu, „wollt Ihr nicht meine Tochter freien? Es ist mein einziges Kind und erbt nach meinem Tode alle meine Güter. Aber heute noch muß die Hochzeit sein!“

Die Rede gefiel dem fremden Rittersmann, und er stieg von dem Rosse und ging mit dem alten Grafen in die Stube hinauf.

Als die Gräfin und ihre Tochter den Gast sahen, sprachen sie leise:

„Diesmal soll Vater recht behalten, das ist ein feiner Freiersmann.“

Und das war er auch; denn ihm gehörte ebenfalls eine ganze Grafschaft, und er stand an Reichtum dem alten Grafen nicht nach. Ehe aber die Hochzeit gefeiert wurde, nahm die Gräfin ihre Tochter besonders, und sie mußte ihr in die Hand schwören, daß sie ihren Mann ebenso ziehen wolle, wie ihre Mutter ihren Vater gezogen. Dann wurde der Prediger gerufen, das junge Paar ward zusammengegeben, und nach dem Mahle sollten sie abreisen.

Der alte Graf wollte die große Kutsche vorfahren lassen.

„Nichts davon“, rief der Rittersmann, „ich reite, und meine junge Frau hat ihre gesunden Glieder, die kann gehen.“

Das mißfiel ihr zwar sehr; aber sie wollte nicht gleich mit Zank und Streit anfangen und fügte sich. Er ritt also zum Thore hinaus, ganz sachte, und sie schritt neben ihm her. Als sie im Walde waren, lief das Windspiel

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/35&oldid=- (Version vom 1.8.2018)