nahm dem Hunde die Hälfte seiner Lebensjahre und legte sie dem Menschen zu.
Zu guter Letzt stellte sich auch der Affe ein und wollte ebenfalls des halben Lebens verlustig sein.
„Ich muß klettern und springen,“ sagte er, „und Gesichter schneiden und Faxen machen, daß die Menschen lachen. Zwanzig Jahre sind zu lang, Herr, nimm mir die Hälfte ab!“
„Gieb sie mir!“ bat der nimmersatte Mensch zum dritten Male und drängte und quälte so lange, bis der Herrgott auch dem Affen die zehn Jahre nahm und sie dem Leben des Menschen zufügte.
So hatte der Mensch zu seinem richtigen Leben zwanzig Eselsjahre und zehn Hunde- und zehn Affenjahre bekommen, und er hat sie behalten bis auf den heutigen Tag.
Bis zum dreißigsten Jahre lebt jedermann leicht dahin; dann muß er zwanzig Jahre als Esel verbraucht werden und im Schweiße seines Angesichts arbeiten und schaffen, daß er unter dem Kreuze schier zusammenbricht. Vom fünfzigsten Jahre an beginnt das Hundeleben, da der Mensch dasjenige, was er in den Eselsjahren zusammengerafft und erworben hat, mißgünstig wie ein Hund bewacht. Auf die Hundejahre folgen die Affenjahre vom sechzigsten bis zum siebenzigsten. Dann sind die Menschen wie die Affen mit den kleinen Enkelkindern, springen und tanzen ihnen vor und schneiden Gesichter und machen Faxen, daß die Kleinen darüber lachen; und am Ende werden sie ganz kindisch und beschmutzen sich beim Essen und Trinken.
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/43&oldid=- (Version vom 1.8.2018)