„Das macht, weil ich meinem Manne ein fettes Huhn brate,“ antwortete die Nachbarin.
„Deinem Manne ein Huhn?“ rief die Frau und wäre vor Verwunderung schier auf den Rücken gefallen. „Laß den dummen Kerl doch Kartoffeln und Speck essen, und das schöne Huhn verzehren wir! Und wenn er nach Hause kommt und schilt, so sag ihm nur, er habe die Nacht stark geträumt, du sähest es wohl, er habe den Dünk.“
Die Rede gefiel der Bäuerin; und als das Huhn gar war, nahm sie es von der Pfanne und aß es mit der Nachbarin auf; ihrem Manne aber legte sie, wie gewöhnlich, Speck und Kartoffeln in die Schüssel.
„Mutter, was ist das?“ sagte der Bauer, als er Glocke zwei oder drei aus dem Busch heimkehrte. „Du hast mir doch versprochen, ein gebratenes Huhn in die Schüssel zu legen, und nun habe ich wieder Kartoffeln und Speck.“
„Mann,“ antwortete die Frau, „schnack immer zu! Wann hast du mir so etwas gesagt? Du hast das geträumt, ich sehe es wohl, du hast den Dünk.“
„Hab’ ich den Dünk, so ist es gut,“ versetzte der Bauer und war stille bis auf den Abend, da er wieder bei seiner Frau im Bette lag.
„Mutter,“ hub er auch diesmal an, „ich bin der Herr und darf wohl einmal ein besseres Essen haben, wie das Gesinde. Brat mir morgen eine Ente in der Pfanne!“
„Von Herzen gern, Vater,“ antwortete die Frau, und sie briet auch am andern Tage die Ente. Aber die Nachbarin kam wieder dazu und redete so lange auf sie ein, bis sie die Ente aus der Pfanne nahm und mit der
Ulrich Jahn: Schwänke und Schnurren aus Bauern Mund. Mayer & Müller, Berlin 1890, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahn_Schwaenke_und_Schnurren_aus_Bauernmund.djvu/6&oldid=- (Version vom 1.8.2018)