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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

sie in der Sprache des Gegners geschrieben wären. — Die Anzahl dieser Streitschriften nimmt alljährlich zu, und es thut noth, sie einmal zusammenzustellen. Wir thun diess vom Jahre 1842 an. Vorausschicken wollen wir nur noch die Grundtendenzen der magyarischen Parthei, wie sie von einem Anhänger derselben (Graf Zay?) in dem Buche: „Protestantismus, Magyarismns, Slawismus (Leipzig 1841, Georg Wigand)“ S. 12 ausgesprochen werden: „1) Die gesetzliche Begründung des Rechtszustandes aller ihrem heiligen Zwecke entsprechenden Religionen auf die Principien der Gleichheit und Reciprocität; Union der augsburgischen und helvetischen Confessionsverwandten. 2) Beförderung der Sittlichkeit und Intelligenz durch zweckmässigen Religionsunterricht; geregelte Volks- und öffentliche Erziehung. 3) Die Magyarisirung aller Nationalitäten Ungarns. 4) Das Festhalten des Grundsatzes: „nihil de nobis sine nobis“, wie auch das einer geregelten Municipal-Comitatsverfassung. 5) Das Festhalten des Zweikammersystems; Creirung einer erblichen Pairie. 6) Redefreiheit; ein loyales Pressgesetz; ein zweckmässiger Criminalcodex. 7) Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz; gleiche Vertheilung aller Staatslasten; dessen natürliche Folge die Controle bei der Nation; Verantwortlichkeit der Minister Ungarns. 8) Zweckmässige Organisation der königlichen Freistädte und in Folge dieser erweitertes Wahl- u. Stimmrecht; völlige Emancipation des Bauernstandes und zu seiner Zeit (!) Verleihung des Wahl- und Stimmrechtes. 9) Aufhebung der Aviticität bei verhältnissmässiger Entschädigung des Fiscus. 10) Aufhebung der Gränzsperre. Die hierdurch verursachten Ausfälle in den Finanzen würden durch das Beitragen des Adels zu den Staatslasten mehr als hinlänglich gedeckt werden. Beförderung des Handels, der Industrie. 11) Aufhebung der Insurrectionspflicht, jedoch allgemeine Militairpflichtigkeit. Ungarische Armee. 12) Treues Aufrechterhalten der pragmatischen Sanction, daher auch des Verbandes Ungarns mit Oestreich unter einem und demselben Herrscher, und zugleich der in jener uns garantirten Selbstständigkeit Ungarns. 13) Treue und Anhänglichkeit bis in den Tod zum Könige, zur östreichischen Dynastie; treues Aufrechterhalten und Vertheidigung deren gesetzlichen Rechte bis zum letzten Lebenshauche.“ — Wir wollen hier keine logische Untersuchung anstellen über die Form dieser Punkte; nur auf die Materie einiger machen wir aufmerksam, die uns besonders zugesagt haben. So das Festhalten des Zweikammersystems; ja sogar die Creirung einer erblichen Pairie; also das freie Ungarn, wo die Grundsätze der Gleichheit immer oben an gestellt werden, einen hohen Adel mit erweiterten Prärogativen? Und wozu dann die Magnaten, oder wer sind die eigentlich? Aber noch besser: Auch der Bauer soll emancipirt werden; jedoch „zu seiner Zeit“ d. h. wenn es dem Adel gefällig ist. Und wann kommt die Zeit? — Wenn es im Vortheile des Adels liegt oder — wenn er magyarisirt ist, oder aber — wenn der Adel nicht anders kann. Das beste ist jedoch Nr. 3. Die 4 Millionen Magyaren sind also gesonnen, die übrigen 11 Millionen der Bevölkerung Ungarns zu magyarisiren! In der That keine geringe Arbeit! Und diese muss bald vollendet sein, denn S. 9 desselben Buches heisst es: „So wird denn unser Vaterland nur dann gross und glücklich, wenn es magyarisch wird!“ Auf jeden Fall sind sie also in ein Paar Dezennien fertig! — Allein die Hoffnungen der Magyaren sind noch viel grösser; das zeigt sich am deutlichsten in dem Buche:

 1. „Ungarns Wünsche. Eine politische Abhandlung über die wichtigsten in dieser Hinsicht obschwebenden Fragen von Lajos v. K.... Leipzig 1843, Reclam jun.“ Das Büchelchen, 112 S. in kl. 12., ist grösstentheils gegen den Wiener Advocaten Dr. Wildner v. Maithstein wegen seiner Schrift über das ungarische Creditswesen gerichtet. Die Polemik ist freilich sehr massiv und artet nicht selten in Plumpheit aus, wie z. B. S. 20, wo der Verfasser sein Buch eine „in schwäbischer Sprache“ geschriebene Broschure nennt (schwäbisch ist der verächtliche Spottausdruck für deutsch). Der Streit entsteht über die Besteuerung des Adels und Clerus in Ungarn, die von beiden für nothwendig anerkannt wird. Die Verwendung dieser soll für Bauten von Canälen, Strassen, Eisenbahnen bestimmt

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 125. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/136&oldid=- (Version vom 3.10.2019)