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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

in der neuesten Zeit. Da sich die meisten östlichen Kaschuben zur katholischen Kirche bekennen, so müssen wir als ihr geistiges Oberhaupt den Bischof von Kulm Dr. Anastasius Sedlag ansehen, dessen ganze Ansicht vom Slaventhum in den wenigen Worten, die er in einer seiner Vorlesungen über Geschäftsstyl vor den Klerikern aussprach, sich kund giebt: „Wenn Sie, sagte er, an das Generalvikariatsamt oder an mich schreiben, so thun Sie es ja deutsch oder ausnahmsweise lateinisch, aber niemals polnisch, denn so spricht ja jeder Bauer.“ Desshalb nimmt er am Liebsten seine deutschen Landsleute ins Klerikal-Seminarium nach Pelplin, obgleich ihm die Professoren der kath. theologischen Fakultät der Breslauer Universität schon öfters die Vorstellung machten, dass gerade diejenigen Studenten sich zu ihm begeben, welche in der stockdeutschen Heimath keine gute Aussicht haben, welche so ziemlich einen Auswurf bilden. Solche Stockdeutsche schickt der Herr Bischof einem schrecklichen Plane gemäss sogleich nach ihrer Ordination auf ganz slavische Vikariat- und Pfarrstellen, ohne die geringste Rücksicht auf die Bitten noch weniger auf die Bedürfnisse der Gemeinden zu nehmen. So sind Weber in dem kaschubischen Sprengel Lauenburg und Hunt in dem polnischen Thoren Dekane.

 Bei weitem besser handeln im Ganzen die evangelischen Geistlichen gegen ihre Gemeinden; allein die Anzahl derselben ist zu klein, die Kräfte zu schwach, um alle ihren Handlungen im Wege stehenden Hindernisse überwältigen zu können. Rühmlich ist die Aufopferung eines Mrongovius für seine Gemeinde in Danzig, löblich die Liebe eines Tomasius in Saulin (Kasch. Solno) zu seiner Kirche. Die Früchte ihrer Bemühungen sind noch immer sehr klein, weil der sonst so gerechte König, in dessen Adern slavisches Blut fliesst, zu wenig Aufmerksamkeit seinen slavischen Unterthanen zumal in Pommern und Westpreussen schenkt, und die deutschen Beamten aus allen Kräften darnach streben, die alten Einwohner in der Kultur immer mehr sinken zu lassen, um dann das geistig und materiell verarmte Volk leichter germanisiren zu können. Desshalb verfahren auch die weltlichen Behörden nicht weniger hart gegen die slavischen Seelsorger als das geistliche Oberhaupt. In einem Schreiben der königl. preussischen Regierung von Danzig an die kathol. Geistlichkeit wegen Revisionen der Kirchenrechnungen heisst es sub Nr. 4 hinsichtlich der in polnischer Sprache geführten Vermerke über Einnahme und Ausgabe: „Auch dieses ist aus mehreren Gründen ganz unzulässig. Die Rechnungen, Rechnungsnotate, Belege (!) u. s. w. müssen deutsch geschrieben sein, und wird dieses den Herrn Pfarrern, die nach §. 627 Tit. II. pars 2 des A. L. R. zur Führung der Rechnungen in subsidium verpflichtet sind, leicht auszuführen, solche aber, die der deutschen Sprache nicht genug mächtig sind, zur Uebung (nicht schlecht!) sehr nützlich sein, um so mehr, da diese Sprache die vorherrschende und bei den Staatsbehörden die allein gebräuchliche ist, mithin von jedem Beamten mit Recht erfordert werden kann, dass er derselben ganz mächtig ist, sowie jeder Mann, der nur einigen Anspruch auf Bildung (?) machen will, in diesem Lande die deutsche Sprache zu schreiben und zu sprechen verstehen muss.“

 Die unmittelbare Folge davon ist, dass die kathol. Seelsorger deutscher Zunge nicht nur bei der geistlichen, sondern auch der weltlichen Behörde allein Gunst und überall den Vorzug haben. In konsequenter Verfolgung dieses Planes werden den Slawen solche Stellen angewiesen, wo eine kleine Einnahme ist, und selbst da quält man sie mit deutschen Correspondenzen. Es giebt sogar einzelne Geistliche, die in der Jugend keine Gelegenheit hatten, deutschen Unterricht zu bekommen, und nun natürlich nicht im Stande sind, den verschiedenen Anforderungen Genüge zu thun; diese müssen sich nur um des Deutschen willen einen deutschen Gehülfen halten, der des Vorzugs sich bewusst, den er bei den Behörden bekommt, seinen Vorgesetzten durch die stete Besorgniss, er könnte ihn bei der deutschen Behörde in ungünstiges Licht setzen, von sich abhängig macht. Nicht minder schlecht ist

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 245. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/256&oldid=- (Version vom 20.1.2020)