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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang

Einzelne einzugehen; darum war es für Herrn von Pulszky gewagt, die schrecklichen Folgen, mit denen Ungarn von dem Slawismus bedroht ist, so bestimmt auszusprechen.“ (S. 39). So hat er auf die Frage, ob es den Slawen in Ungarn gestattet sein solle, „dass sie sich als Slawen fühlen, und dass dieses Gefühl ihre sittliche und geistige Entwicklung durchdringe“, freilich mit einigen Windungen und Verzerrungen eine Antwort geben müssen, deren kurzer Sinn: „Nein“ ist. Ausserdem lehrt seine Antwort, dass die Magyaren von den Slawen und natürlich auch von den Wallachen und Deutschen nicht weniger verlangen, als dass sie jede geistige Entwicklung in ihrer Sprache aufgeben, so wie sie bereit sind, nach Kräften sie hierzu zu zwingen. Als Vertheidigungsargument dieser Handlungsweise habe Pulszky, und mit ihm seine ganze Parthei, trotz der direkten Forderung weiter nichts anzuführen gewusst, als „das abgedroschene Gerede, dass der Slawismus die Südslawen dem russischen Koloss in den Rachen jage“; und dennoch ist es des Grafen innigste Ueberzeugung, „dass nichts mehr geeignet ist, der Möglichkeit russischer Uebergriffe entgegenzuwirken, als ein nationaler Aufschwung der nicht unter russischem Scepter stehenden Slawenstämme.“ Die Berufung auf das Beispiel anderer Länder, auf England mit Wales, ist unstatthaft, weil dort das Verhältniss ein ganz anderes, die celtische Bevölkerung kaum noch in einzelnen Oasen zu 1000 Köpfen vorhanden, und überdies die Engländer so human sind, die Sprache selbst dieser geringen Ueberreste zur Bildung der gänzlich verarmten Bevölkerung anzuwenden, wie aus dem Beispiele des Bischofs von St. Davids, E. Thirlwall, dargethan wird. Analoger ist die Stellung der Elsasser in Frankreich. Eine Berufung auf diese „dürfte aber, zumal vor einem deutschen Publikum, heutzutage ein höchst unglücklicher Rechtfertigungsversuch sein.“ Uebrigens herrscht in Frankreich das Prinzip der Centralisation und Gleichförmigkeit, in Ungarn das der Selbstregierung und unbeschränkten Freiheit der Gemeindeverfassung. Die Berufung auf das Gesetz, dass die magyarische Sprache an die Stelle der lateinischen treten solle, wird ebenfalls zurückgewiesen, weil es jedenfalls unmoralisch und mithin dem Sinne des Rechtes zuwider ist, jenes Gesetz so weit auszudehnen, dass in Folge dessen auch in den reinslawischen Schulen das Magyarische als Unterrichtssprache angewendet werden solle. Die Ursache dieser Bestrebungen liegt also „nicht in Vernunftgründen, sondern — wie aus dem Tone der Reden, aus der Art des Vorganges zu entnehmen ist — in einem krankhaft überspannten Nationalgefühl, in blinder Leidenschaft.“ Wohl eher noch könnte als der tiefliegende und theils geahnte, theils wirklich erkannte Gedanke die Magyaren zu solcher Wuth gegen alle anderssprechenden Ungarn veranlassen, die Magyaren könnten bei ihrer geringen Zahl, bei ihrer schwachen und isolirten Stellung in Europa, einer nationalen Auflösung nicht länger widerstehen, wenn die sie umgebenden[WS 1] zahlreichen Slawenstämme einmal zu geistesthätigem Leben erwacht wären; und diese Besorgniss macht sie taub gegen die Stimme der Vernunft und der Gerechtigkeit. Der Verf. fordert dann die Slowaken, als die geistig am weitesten Vorgeschrittenen, zu einem kräftigen Widerstande auf, den sie am meisten dadurch leisten würden, wenn sie durch „Schrift oder Rede den Sinn des Volkes wecken und seinem Geiste gesunde Nahrung bieten.“ Zum Schlusse erkennt der Verfasser in dem Sprachkampfe in Ungarn nicht eine blos ungarische Angelegenheit; aus der Haltung, welche die Regierung hierbei behaupten werde, würden auch die übrigen Provinzen des östreichischen Staates entnehmen können, welches Prinzip dieselbe in Hinsicht der sprachlichen Verschiedenheiten befolge.

 Тригонометрическая Съемка: Trigonometrischer Abriss der Gubernien: Petersburg, Pskow, Witebsk und eines Theils von Nowgorod. Auf allerhöchsten Befehl vollzogen vom Generallieutenant Schubert von 1820—1832. Petersburg, Kraj 1842, drei Bände. Der erste Band enthält die Ausmessung der

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J. P. Jordan: Jahrbücher für slawische Literatur, Kunst und Wissenschaft. Erster Jahrgang. Robert Binder, Leipzig 1843, Seite 287. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Jahrb%C3%BCcher_f%C3%BCr_slawische_Literatur,_Kunst_und_Wissenschaft_1_(1843).pdf/298&oldid=- (Version vom 2.2.2020)