Johannes vor seinem Ableben zur Regentin bestimmt gehabt – und gieng in seiner Grausamkeit so weit, dass er sie sogar im Kerker verhungern ließ.
72 (2.) Merkwürdigerweise raubte ihm eine gerechte Strafe gerade jenen Bruder, den er aufrichtig liebte, und den er zum Mitregenten angenommen hatte, den Antigonus. Er ließ nämlich infolge von verleumderischen Intriguen, welche eine ruchlose Partei am Hofe angesponnen hatte, auch diesen ums Leben bringen. Anfangs schenkte freilich Aristobulus diesem Gerede nicht den mindesten Glauben, weil er seinem Bruder wirklich zugethan und das Geschwätz zum größten Theil auf Rechnung des Neides zu setzen geneigt war. 73 Als aber einst Antigonus ruhmbedeckt vom Kriegsschauplatz zum Feste sich begab, an welchem die Juden nach väterlicher Sitte Gott unter Laubhütten dienen, wollte es der Zufall, dass gerade an jenen Tagen Aristobulus unpässlich darniederlag, während Antigonus am Ende des Festes in denkbar prächtigstem Schmucke und umgeben von seinen Kriegern zum Tempel hinaufstieg, um dort sein Gebet, besonders für den kranken Bruder, zu verrichten. 74 Das war die Zeit für die Bösewichte, an den König sich heranzumachen. Mit den lebendigsten Farben schilderten sie ihm den Aufzug der Bewaffneten und das gebieterische, mit einem Privatmann unvereinbare Auftreten des Antigonus, dessen Anwesenheit in Verbindung mit einer so großen Truppenabtheilung nur dahin gedeutet werden könne, dass er den König beseitigen wolle. Denn gewiss würde er sich nicht länger mit dem bloßen Königstitel abspeisen lassen, wo es in seiner Macht liege, nach dem Königthum selbst zu greifen.
75 (3.) Diesen Worten schenkte Aristobulus nach und nach, wenn auch ungern, Glauben und stellte, um einerseits nicht das geringste Misstrauen zu verrathen, andererseits auch gegen Ueberraschungen gesichert zu sein, die Leibwache in einem finsteren, unterirdischen Gange der Burg, wo er lag, und die früher Baris, später aber Antonia hieß, mit dem Befehle auf, wenn Antigonus ohne Waffen käme, seiner zu schonen, ihn aber niederzustoßen, wenn er bewaffnet sich nähern würde. Zu Antigonus schickte unterdessen der König eigens Boten mit der vorgängigen Weisung, dass er unbewaffnet kommen möchte. 76 Das benutzte die Königin zu einem äußerst schlauen Anschlag im Bunde mit den geheimen Feinden des Antigonus. Man überredete nämlich die Boten, den vom König erhaltenen Auftrag nicht auszurichten und dafür dem Antigonus zu sagen: „Dein Bruder hat gehört, dass du dir in Galiläa sehr schöne Waffen und ein Panzerkleid habest herrichten lassen. Da er nun leider wegen seiner Krankheit
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 26. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/026&oldid=- (Version vom 12.1.2020)