ein Haar gekrümmt worden ist. 635 Doch ich sehe, dass meine bisherige Beweisführung noch gar keinen Eindruck erzielt hat: ich bin ja vor Gott und vor dir, Vater, schon im vorhinein dem Tode geweiht. Aber als ein dem Tode verfallener Mensch habe ich nur die eine Bitte: glaube nicht den peinlichen Aussagen anderer, sondern gegen mich sollst du die Flammen zucken lassen, durch meine Eingeweide deine Marterwerkzeuge bohren, und schonungslos möge der elende Leib zerrissen werden. Denn bin ich ein Vatermörder, dann soll und will ich auch nicht ungemartert sterben.“ 636 Diese unter Stöhnen und Schluchzen herausgepressten Worte bewegten alle, selbst den Varus, zum Mitleid: nur dem Herodes ließ der Zorn keine Thräne entquellen, weil er nur zu sehr von der Wahrheit der Beweise überzeugt war.
637 (4.) In diesem Augenblick trat, wie es der König schon früher befohlen, Nikolaus hervor, um zunächst eine lange Schilderung von der Verschmitztheit des Antipater vorauszuschicken und so die mitleidige Stimmung, die dessen Rede hervorgerufen, wieder zu verscheuchen. Hierauf ließ er eine sehr bittere Anklagerede wider ihn los, in welcher er ihm alle großen Verbrechen im Reiche aufbürdete, so namentlich die Hinrichtung der Brüder, die, wie er nachwies, nur seinen Verleumdungen zum Opfer gefallen wären. Er kam dann auch auf die Nachstellungen zu sprechen, die Antipater selbst den überlebenden Brüdern noch fortwährend bereitet hatte, weil sie es nach seiner Meinung auf die Thronfolge abgesehen hätten. „Und wie sollte wohl auch,“ folgerte der Redner, „ein Mensch, der seinem eigenen Vater den Giftbecher gemischt, vor seinen Brüdern Halt machen?“ 638 Endlich schritt Nikolaus zum Beweise für den geplanten Giftmord selbst, indem er die Zeugenaussagen der Reihe nach vorführte, nicht ohne bei Erwähnung des Pheroras seinem tiefsten Unwillen Ausdruck zu geben, dass selbst aus einem solchen Manne Antipater einen Brudermörder gemacht und durch die Verführung gerade von solchen Persönlichkeiten, die dem König am meisten ans Herz gewachsen waren, das ganze Haus mit Greueln angefüllt habe. Außerdem brachte der Redner noch viele andere Beschuldigungen vor, die er sämmtlich mit Beweisen erhärtete, und schloss dann seine Anklage.
639 (5.) Als nun Varus den Antipater zu seiner Vertheidigung aufforderte, konnte dieser nichts anderes sagen, als: „Gott ist mein Zeuge, dass ich an allem schuldlos bin“, und blieb dann stumm am Boden liegen. Jetzt verlangt Varus das Gift und lässt es einem der zum Tode verurtheilten Gefangenen zum Trinken reichen. 640 Er brach auf der Stelle sterbend zusammen. Nachdem dann Varus noch eine längere geheime Unterredung mit Herodes gehabt und den Verlauf
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 132. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/132&oldid=- (Version vom 12.2.2020)