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vertauschen sie die heiligen Gewande, die sie dabei angehabt, mit den gewöhnlichen, und wendet sich wieder ein jeder der Arbeit zu, die bis zum späten Abend dauert. 132 Dann kehren sie zurück, um die Abendmahlzeit einzunehmen, was in ähnlicher Weise, wie zu Mittag, geschieht. Die eben anwesenden Gäste essen an denselben Tischen. Kein Geschrei, kein wüster Lärm stört jemals die weihevolle Ruhe des Hauses, da sie einander der Reihe nach das Wort lassen, 133 so dass denen, die draußen vorübergehen, die Stille drinnen im Hause ganz unheimlich und wie die Feier eines Mysteriums vorkommt. Sie ist aber nur begründet in ihrer anhaltenden Nüchternheit und in dem Umstande, dass bei ihnen einem jeden nur soviel Speise und Trank zugemessen wird, als eben zur Sättigung hinreicht.

134 (6.) Im Allgemeinen nehmen sie nach dem Gesagten kein Werk vor, wozu sie nicht zuvor einen Auftrag von ihren Oberen erhalten haben. Doch können sie in zwei Fällen ganz selbständig vorgehen, nämlich wo es gilt, jemanden zu vertheidigen oder ihm Barmherzigkeit zu erweisen. Denn es ist jedem Essener ohne weiteres gestattet, solchen, die Hilfe verdienen und brauchen, beizuspringen und Lebensmittel den Nothleidenden zu verabreichen: nur eine Betheilung von Verwandten darf ohne Erlaubnis der Verwaltung nicht stattfinden. 135 Sie sparen ihren Zorn für Fälle, wo ihn die Gerechtigkeit fordert, und haben ihre innere Bewegung immer in der Gewalt. Sie sind ängstlich auf die Bewahrung der Treue bedacht und sorgen aus allen Kräften für die Aufrechthaltung des Friedens. Jedes Wort aus ihrem Munde ist verlässlicher, als ein Eidschwur. Vom Schwören wird bei ihnen gänzlich Umgang genommen, da der Schwur nach ihrer Auffassung etwas noch schlechteres ist, als selbst der Meineid. Denn, sagen sie, wer keinen Glauben mehr findet, außer er zieht Gott herbei, der ist ohnehin schon gerichtet. 136 Ganz außerordentlichen Eifer verwenden sie auf die Lectüre alterthümlicher Schriften, unter denen sie wieder jene am meisten bevorzugen, die auf das Gedeihen von Seele und Leib abzielen. Aus diesen Büchern suchen sie die Namen von heilkräftigen Wurzeln zur Bekämpfung verschiedener Krankheiten, wie auch die mannigfachen Kräfte der Steine herauszufinden.

137 (7.) Bewirbt sich jemand um die Aufnahme in die Secte, so wird ihm der Eintritt nicht sofort gestattet, sondern er muss noch ein ganzes Jahr draußen bleiben, während dieser Zeit aber dieselbe Lebensweise, wie sie die Essener haben, nach deren Anweisung beobachten, zu welchem Zwecke man ihm ein kleines Grabwerkzeug, das oben erwähnte Lendentuch und ein weißes Kleid übergibt. 138 Hat er dann im Verlaufe dieser Zeit seine Enthaltsamkeit bewährt, so nähert er sich dem Essenerleben

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/161&oldid=- (Version vom 1.8.2018)