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Schandthaten, als wären sie damit die Wohlthäter und Retter der Stadt geworden.

147 (6.) Mit dem zunehmenden Kleinmuth und der Furcht des Volkes hielt aber die Tollheit der Räuber gleichen Schritt, und es sollte endlich soweit kommen, dass in ihrer Hand sogar die Wahlen der Hohenpriester lagen. 148 Sie ließen nämlich die Geschlechter, aus denen bisher die Hohenpriester abwechselnd ernannt wurden, nichts mehr gelten und setzten Leute ohne Namen und Priesteradel an ihre Stelle, um an ihnen Genossen ihrer Frevel zu haben. 149 Denn jene, welche ohne ihr Verdienst zur höchsten Auszeichnung gelangt waren, mussten nothwendig sich denjenigen gefügig erweisen, die ihnen dieselbe verschafft hatten. 150 Durch die mannigfachsten Intriguen und Klatschereien hetzten sie auch die Behörden gegeneinander, da offenbar ihr Weizen dann am besten blühen musste, wenn jene, die ihn allein noch hätten stören können, sich selbst in den Haaren lagen. Nachdem sie sich in den Ruchlosigkeiten gegen die Menschen über und über genug gethan, ließen sie endlich ihren Uebermuth auch noch am Göttlichen aus und betraten mit ihren blutbedeckten Füßen das Heiligthum.

151 (7.) Angefeuert nämlich von dem ältesten Hohenpriester Ananus, einem Mann von großer Klugheit, der wohl noch die Stadt aus diesen Wirren gerettet hätte, wenn er den Händen seiner tückischen Feinde entgangen wäre, nahm jetzt das Volk gegen die Räuber eine drohende Haltung an. Um nun auch der Volksbewegung trotzen zu können, machten sich die letzteren aus dem Tempel Gottes eine förmliche Festung, und es ward ihnen so das Heiligthum Schlupfwinkel und Zwingburg zugleich. 152 Ihre Gewaltthaten mischten sie noch mit Spott, der bekanntlich noch bitterer schmerzt, als der Schaden selbst: 153 so wollten sie jetzt den Kleinmuth des Volkes auf die härteste Probe stellen und ihre eigene Macht daran bemessen, dass sie den Versuch unternahmen, die Hohenpriester durch das Los zu bestimmen, während sonst, wie bemerkt, der Wechsel in diesem Amte nach dem Geschlechteradel erfolgte. 154 Sie deckten ihre List mit der Berufung auf ein altes Herkommen, da schon von Alters her, wie sie sagten, das Hohepriesterthum auf dem Wege des Loses vergeben worden sei. In Wirklichkeit handelte es sich ihnen um die Beseitigung eines begründeteren Rechtes und um einen neuen Anschlag auf die Herrschaft, da sie dann die Bestellung der obersten Behörden in ihrer Hand hatten.

155 (8.) Sie ließen nun eine einzige der hohenpriesterlichen Familien, namens Enjachim, herbeiholen und einen Hohenpriester auslosen. Zufällig traf das Los einen Mann, dessen Wahl, wie keine andere,

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/313&oldid=- (Version vom 1.8.2018)