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die volle Gesetzlosigkeit des Vorganges beleuchten musste, nämlich einen gewissen Phannias, den Sohn des Samuel aus dem Dorfe Aphtha, einen Menschen, der nicht bloß kein Hoherpriester aus dem Geschlechteradel war, sondern auch nicht einmal recht wusste, was denn eigentlich das Hohepriesterthum wäre: so verbauert war er! 156 Hatte man ihn doch gegen seinen Willen vom Lande herbeigeschleppt und ihn, wie man es auf der Theaterbühne macht, in eine ihm ganz fremde Rolle gesteckt, indem man ihm das heilige Kleid umhieng und von Zeit zu Zeit einsagte, was er jetzt zu thun habe! 157 So entsetzlich diese Gottlosigkeit, sie war den Räubern nur vergnüglicher Spott und Kinderspass – den anderen Priestern aber traten die Thränen in die Augen, wenn sie unthätig zusehen mussten, wie man mit dem Gesetze seinen Spott trieb, und seufzten tief auf über die Entweihung des heiligen Amtes.

158 (9.) Dieses ihr tolles Beginnen ließ sich aber das Volk nicht mehr gefallen: allgemein war die Bewegung, die Gewaltherrschaft zu brechen: 159 Die Männer von Ansehen, wie ein Gorion, Sohn des Josephus, und Symeon, des Gamaliel Sohn, redeten in den Volksversammlungen den breiten Massen, im Privatverkehr aber jedem einzelnen eifrig zu, endlich einmal die Todfeinde der Freiheit gebürend zu züchtigen und das Heiligthum von den Mordbuben zu säubern. 160 Auch die Hohenpriester, Jesus, Sohn des Gamala, und Ananus, Sohn des Ananus, die das meiste galten, ließen es an Vorwürfen gegen das saumselige Volk bei den Zusammenkünften nicht fehlen und steigerten die Bewegung gegen die „Eiferer“ (Zeloten). 161 Das war nämlich der Name, den sie sich selbst gaben, als ob ihr Eifer edlen Bestrebungen gegolten hätte, während sie in Wahrheit nur den größten Schlechtigkeiten nacheiferten und dieselben noch zu überbieten suchten.

162 (10.) Als nun wieder einmal das Volk bei einer solchen Versammlung war, und sich allgemein der Unwille über die Besetzung des Heiligthums, die vielen Plündereien und Meuchelmorde Luft machte, ohne dass man jedoch schon den Muth gefunden hätte, sich zur Rache dafür aufzuraffen, da man die Zeloten, wie es auch der Sachlage entsprach, für schwer angreifbar hielt, da trat Ananus in ihrer Mitte auf, erhob zuerst seinen Blick wiederholt zum Tempel, wobei sich seine Augen mit Thränen füllten, und begann dann folgendermaßen: 163 „Besser, fürwahr, wäre es für mich gewesen, früher zu sterben, ehe meine Augen das Haus Gottes mit so vielen und großen Freveln angefüllt und die unnahbaren heiligen Räume unter den blutbefleckten Sohlen von Mördern zerstampft sehen mussten. 164 Aber nein! Bekleidet mit den

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 314. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/314&oldid=- (Version vom 1.8.2018)