zwei der tüchtigsten Krieger unter seinen Streichen blieben. Der eine davon hatte in dem Augenblicke, wo er sich ihm entgegenwerfen wollte, von vorne den Todesstoß bekommen, dem zweiten hatte der Römer auf seiner Flucht den aus der Wunde des ersten gezogenen Speer durch die Seite gerannt, um dann mitten aus dem feindlichen Schwarm ohne eine einzige Schramme zu seinen Kameraden zurückzulaufen. 314 Er war nun wegen seines Heldenmuthes ein gefeierter Mann, aber bald fanden sich viele, die seiner Tapferkeit nacheiferten. 315 Uebrigens achteten auch die Juden der eigenen Wunden nicht, nur darauf bedacht, fremde zu schlagen. Der Tod erschien als etwas sehr leichtes, vorausgesetzt, dass sie im Augenblick, wo sie ihn erlitten, noch einen aus den Feinden niederhauen konnten. 316 Was aber die Haltung des Titus angeht, so war seine Sorge nicht weniger auf die Schonung seiner Soldaten, als auf den Sieg gerichtet, und er meinte, dass ein unbesonnenes Dreinschlagen eigentlich eine Thorheit wäre, während die wahre Mannhaftigkeit mit Umsicht gepaart und so beschaffen sein müsse, dass man dem Feinde Verluste zuzufügen verstünde, ohne selbst einen solchen zu erleiden. Er verbot darum seinen Kriegern, in bloßen Bravourstücklein ihren Muth zu zeigen.
317 (4.) Titus ließ nun den Widder an den mittleren Thurm der Nordmauer ansetzen. Auf diesem Thurme hatte sich ein jüdischer Gauner, namens Castor, mit noch zehn seines Gelichters in einen Hinterhalt gelegt, während die übrige Mannschaft vor den Scharfschützen Reißaus genommen hatte. 318 Einige Zeit hielten sie sich in kauernder Stellung ruhig hinter der Brustwehre. Als aber der Thurm schon zu wanken begann, sprangen sie auf einmal in die Höhe, und Castor rief mit aufgehobenen Händen, ganz wie ein Hilfeflehender, nach dem Cäsar und bat mit gar kläglicher Stimme um Schonung. 319 Arglos, wie er war, glaubte ihm Titus und hegte sogar die Hoffnung, die Juden würden jetzt in sich gehen, weshalb er gleich mit den Widderstößen aufhören ließ und den Bogenschützen verbot, auf die Schutzflehenden anzulegen. Castor erhielt die Erlaubnis, seinen Wunsch vorzubringen. 320 Auf seine Antwort, dass er sich auf Gnade unterwerfen und gerne herabkommen möchte, bemerkte Titus, dass er ihm zu seinem wohlberathenen Entschlusse nur gratulieren könne, und dass, wenn jetzt endlich alle dieselbe Gesinnung theilen möchten, es ihn im Interesse der ganzen Stadt herzlich freuen würde, auch den Uebrigen sofort Gnade anbieten zu können. 321' Von den zehn anderen machten es fünf, wie Castor: sie flehten heuchlerisch um Erbarmen. Die übrigen fünf jedoch schrien laut auf, sie würden nie und nimmer Römersclaven werden, so lange sie noch die Wahl hatten, als freie Männer zu
Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 406. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/406&oldid=- (Version vom 1.8.2018)