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ihnen zum Räuber geworden, noch grausamer gemartert. 435 Furchtbar waren die neuen Arten von Qualen, die sie ausheckten, um den Versteck eines Speisevorrathes aufzuspüren: mit Kichererbsen verstopften sie den Unglücklichen den Mastdarm und durchbohrten ihnen mit spitzigen Stäben das Gesäß! Peinen, die schon schauderhaft zum Anhören sind, mussten manche erdulden, bloß weil sie von einem einzigen Brot nichts sagen und eine Handvoll versteckter Gerstengraupen nicht verrathen wollten. 436 Und dies thaten die Peiniger nicht etwa darum, weil sie selbst Hunger gehabt hätten, in welchem Falle ja ihr Benehmen, weil von der Noth eingegeben, weniger grausam gewesen wäre, sondern nur zu dem Zwecke, um ihren Frevelmuth zu üben und für die folgenden Tage Lebensmittel aufzuspeichern. 437 Trafen sie auf Leute, welche sich des Nachts aus der Stadt hinaus und fast bis zur römischen Postenkette geschlichen hatten, nur um Feldgemüse und Kräuter zu sammeln, so entrissen sie ihnen in dem Augenblicke, wo die Armen sich bereits vor den Feinden in Sicherheit glaubten, alles, was sie trugen, 438 und gaben ihnen trotz ihres inständigen Bittens und Flehens, und trotzdem sie sie beim Namen des furchtbaren Richters beschworen, ihnen doch einen Theil von dem zu überlassen, was sie sich mit eigener Lebensgefahr gebrockt hätten, nicht das Geringste mehr zurück. Ja es hatte noch seine liebe Noth, dass die Geraubten nicht auch obendrein ums Leben gebracht wurden.

439 (4.) Während die gewöhnlicheren Bürger diese Grausamkeiten von den Schergen der Gewaltherrscher erfuhren, wurden dagegen die in Würden und Reichthum stehenden vor die letzteren selbst geschleppt. Die einen davon wurden unter der erdichteten Anklage, entweder geheime Verschwörungen gegen die Tyrannen angezettelt zu haben oder die Auslieferung der Stadt an die Römer zu planen, hingerichtet. Wozu man aber am gewöhnlichsten griff, das war die Anstiftung eines falschen Zeugen, welcher sagen musste, die Betreffenden hätten zu den Römern überlaufen wollen. 440 Ohnehin schon von Simon ausgezogen, wurden sie noch zu Johannes hinaufgeschickt, und so bekam auch umgekehrt Simon seinen Theil am Raube derer, die zunächst von Johannes waren geplündert worden. Auf solche Art trank man sich gegenseitig das Blut der Bürger zu und theilte sich, sozusagen, in die Leichen der Bedauernswerten. 441 Nur im Punkte der Herrschaft bestand Streit, in den Ruchlosigkeiten vollkommene Einigkeit: denn den andern Theil bei der Quälerei des Nächsten nicht mithalten lassen, galt als eine ausnehmende Schurkerei, und wenn einmal jemand nicht dabei sein durfte, so that ihm dieser Ausschluss von dem grausamen Werke so weh, als hätte er ein Glück verscherzt.

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Flavius Josephus: Jüdischer Krieg. Linz: Quirin Haslingers Verlag, 1901, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:JosephusBellumGermanKohout.djvu/421&oldid=- (Version vom 1.8.2018)