Augenblick gewählt, wo die Verkündigung schon geschehen ist. Der Engel, ein schöner Jüngling mit überirdischem Blick, in goldgelbem Gewande, den Lilienstängel in der Linken, schwebt mit gesenkten Cherubimfittigen nahe über der Erde, indem er mit der Rechten auf die Erscheinung des Kindes in der Höhe – gleichsam die Beglaubigung seiner Worte – hinzeigt, während Maria, eine hohe, schlanke Gestalt, glaubend und in tiefer Demuth
ihr schönes Haupt zur Erde beugt, und die Arme kreuzend an ihr Herz legt. Ein treues Bild ihrer Antwort in der Schrift: „Siehe, ich bin des Herrn Magd.“ – Sie sitzt nach orientalischer Art; doch wird ihre Stellung dadurch, daß das rechte Knie die Erde berührt, indem das linke die sanft niedergebogene Gestalt zu heben scheint, überaus malerisch. Auch zeichnet sich in dieser nicht leichten, hier aber rührend wahren Haltung das reine, fromme Gesicht der Maria ohne Zwang im Profil. Blumen stehen in stiller Pracht um sie her, und die die königliche Rose neigt sich liebend zu ihr hin. In der Höhe öffnet sich ein dünner Nebel, dessen Duft zu der Auserwählten herabströmt; und aus ihm tritt, von einem dunkelröthlichen Schimmer umgeben, Christus hervor, ein idealisirtes Kind, in dem sich Kraft und Liebe verkörpert zu haben scheinen. Ueber ihm schwebt, im verklärten Lichte, die Dornenkrone, welche – das Bild der Versöhnung – ein aus dem Nebel hervor sich neigender Palmzweig überschattet. Unter ihm auf der Erde sieht man die Passionsblume. Christus trägt die Symbole eines Königs des Himmels und der Erde; mit der Linken drückt er die Welt an sein Herz; in der Rechten hält er den Stab des Friedens, auf dessen oberem Ende ein Stern funkelt. So hatte ihn der Engel angekündigt.
Unbekannt: Kunst-Ausstellung in Dresden, am Friedrichstage den 5ten März 1810. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1810, Seite 301. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1810_Seite_298-314.djvu/5&oldid=- (Version vom 8.9.2024)
