Fräulein Therese von Winkel hatte durch mehr als einen Beweis ihres Talents die Ausstellung bereichert. Wir sahen fünf von ihren in Paris verfertigten Copieen, und vier neuere sämmtlich in Oel. Wie kunstfertig ihr Pinsel sey, hatte sie schon im Jahr 1809, durch eine Privatausstellung ihrer in Paris und Dresden nach 22 verschiedenen Meistern mit glücklichem Fleiße ausgeführten Copieen, unter welchen sich 24 Gemälde aus der italienischen, 4 aus der französischen, 3 aus der flamändischen Schule, und 3 nach Graff und Ferd. Hartmann befanden, dargethan. Allein je mehr sie damals gegeben hatte, desto mehr wünschte man zu sehen, und zwar die vorzüglichsten Gemälde aus den reichen Sammlungen in Paris. Doch dieß hing nicht von ihrem Willen, der das Schwerste zu besiegen weiß, sondern von äußern Umständen ab. Genug, daß der Kenner Copieen von zum Theil seltenen und wenig bekannten Gemälden, die abgesehen von ihrem nicht gleich großen Kunstwerthe, schon historisch richtig waren, der bescheidenen und talentvollen Künstlerin gern verdankte. Einige von den dießmal ausgestellten Copieen befriedigten nicht ganz in Hinsicht auf das Colorit; selbst die Composition schien, nach der Meinung einiger Kunstfreunde, nicht von Unvollkommenheiten frei zu seyn; ja die Künstlerin hätte leicht anziehendere Gemälde aus ihrer Sammlung uns mittheilen können: allein darum bleibt es nicht minder wahr, daß die Originale jener Copieen in Paris berühmt, und anerkannte Zierden der Sammlungen, in welchen sie sich befinden, sind, und daß sie schon als charakteristische Werke für die Kunstgeschichte ein großes Interesse haben. Es kommt hier also nicht darauf an zu wissen, ob grelle Farbentöne, oder Mangel an Harmonie, oder kleine Fehler in der Gruppirung den Genuß stören; oder zu untersuchen, warum Raphael die schillernde Farbe der Gewänder
Unbekannt: Kunst-Ausstellung in Dresden, am Friedrichstage den 5ten März 1810. Landes-Industrie-Comptoir, Weimar 1810, Seite 347. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Journal_des_Luxus_und_der_Moden_1810_Seite_346-354.djvu/3&oldid=- (Version vom 6.9.2024)