Seite:Keller Gotthelf 095.jpg

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da ein Schullehrer, ein aufgeklärter Pfarrer oder sonst ein ordentlicher Mann sich dergleichen hält und diesem oder jenem strebsamen Jüngling oder Mädchen in die Hände gibt; aber das ist erst ein schwacher Anfang, der auf eine fernere Zukunft deutet.

Auf obige Stelle nun, das „Gras“ betreffend, hat Auerbach selbst in „Schrift und Volk“ (S. 72) sehr gut geantwortet:

Das Volk liebt es nicht, sich seine eigenen Zustände wieder vorgeführt zu sehen; seine Neugierde ist nach Fremdem, Fernem gerichtet, wie sich das auch in andern Bildungskreisen zeigt. Erst wenn sich die Überzeugung aufthut, daß man in sich selbst neue Bekanntschaften genug machen kann, wenn höhere Beziehungen in dem alltäglich Gewohnten aufgeschlossen werden, lernt man das Alte und Heimische neu lieben.

Es handelt sich eben darum, daß das „Volk“ so gut zu sich selbst zurückgeführt werde wie überhaupt alle Menschheit, und auch bei ihm der Geschmack am Fremden und Sonderbaren vertrieben werde. Denn vieles, was man für ursprünglich Volksthümliches hält, die Lust an allerlei gepfeffertem Abenteuer- und Sagenspuk, ist ebenfalls nur ein Hinzugekommenes und in den tiefen Grundschichten und Spalten länger Hängengebliebenes. Es ist sehr natürlich, daß der Görres des neunzehnten Jahrhunderts dasjenige für urvolksmäßig und ewig erkläre, was ein Görres des zehnten Jahrhunderts ausgestreut hat; aber nicht so natürlich ist es, daß wir andern Leute darauf schwören. Und was vor tausend Jahren da oder dort volksthümlich gewesen sein mag, es ist es jetzt nicht mehr. Das Volk streift zeitweise alte geborstene Rinden von sich ab, und man wird vergebens diese Bruchstücke trocknen, zu Pulver stoßen, und ihm wieder

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Gottfried Keller: [Über] Jeremias Gotthelf. Wilhelm Hertz, Berlin 1893, Seite 95. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keller_Gotthelf_095.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)