A. Schromm: Kettenschifffahrt und Elektricität | |
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Vortrag des k. k. Schifffahrts-Gewerbe-Inspectors Regierungsrathes A. SCHROMM in der Plenar-Versammlung des Donau-Vereines in Wien am 20. December 1894.
Seit dem letzten Congresse in Paris (1892) macht die Tauerei[WS 1] mittelst magnetischer Adhäsion der Kette auf Rollen, einen gewaltigen Schritt nach vorwärts. Ich hatte in meinem Berichte über den V. Congress diese Neuerung im Kettenschifffahrtsbetriebe eingehend beschrieben (siehe „Ztsch. d. Oesterr. Ing.- u. Arch.- Ver." H. I–IV. 1893) und will nur heute hinzufügen, dass vom Herrn Director de Bovet, dem Erfinder dieses Systems, in der Zwischenzeit einige Verbesserungen an den magneto-elektrischen Kettenrollen angebracht wurden. Das Eine hat die nun zweijährige Erfahrung mit dem Kettendampfer „Ampère" (Société anonyme de Touage de la Basse-Seine et de l’Oise à Paris) zur Evidenz ergeben, dass das Stadium des Versuches überschritten ist, dass infolge der erlangten günstigen Resultate nun die genannte Gesellschaft eben daran geht, drei neue Kettendampfer mit elektro-magnetischen Kettenrollen zu erbauen.
Es möge mir gestattet sein, den geehrten Herren in wenigen Worten die bisher im Gebrauche stehenden Kettendampfer zu beschreiben. Auf dem Flussgrunde liegt eine starke Kette, welche durch die sogenannten Ausleger (an den beiden Schiffsenden) auf das Schiff gehoben und in seiner Längsachse dem eigentlichen Touage-Apparate, den Kettentrommeln zugeführt wird; nach Verlassen der genannten Trommeln geht die Kette abermals in der Schiffslängenachse nach rückwärts, wo dieselbe, über einen Ausleger laufend, wieder auf den Flussgrund zurückgelegt wird.
Die Herren ersehen, dass sich der Kettendampfer durch das Aufrollen der Flusskette auf den Trommeln vorwärts bewegt und Sie werden sofort begreifen, dass der Nutzeffect der zum Umdrehen der Kettentrommeln aufgewendeten Maschinenkraft, bezw. zur Fortbewegung des Kettendampfers und seines Anhanges sich bedeutend günstiger stellen muss, als dies bei den Schrauben- und Schaufelrad-Dampfern der Fall ist, denn Schraube oder Rad finden im Wasser keinen so festen Stützpunkt, wie ein solcher durch die Flusskette geboten wird. Diese Thatsache war denn auch die Ursache, dass die Kettendampfer, besonders in starken Strömungen, ihre Ueberlegenheit den Schrauben- und Schaufelrad-Dampfern gegenüber zeigten.
Wie jedes Ding zwei Seiten hat, so muss ich auch die Nachtheile der Kettendampfer besonders hervorheben.
In erster Linie fallen die Anschaffungskosten und die ungemein schnelle Abnützung der Kette sehr schwer in’s Gewicht; soll also die Kettenschifffahrt rentabel sein, so muss die Mehr-Schleppleistung oder der billigere Betrieb (infolge der besseren Ausnützung der Maschinenkraft) der Verzinsung und Amortisation des in die Flusskette angelegten Capitales zum Mindeșten aufwiegen.
Die ungemein rasche Abnützung der Flusskette ist nicht, wie irrthümlich so oft angenommen wird, den Unebenheiten des Flussgrundes zuzuschreiben, sondern vielmehr der Unvollkommenheit des Touage-Apparates, d. h. der Kettentrommeln.
Nachdem man endlich die schwachen Punkte der bisherigen Kettendampfer erkannt hat, so waren auch dem erfinderischen Geiste des Menschen die Wege geebnet, verbessernd einzutreten.
Geradezu als bahnbrechend bezeichne ich die vom Ingenieur de Bovet im Jahre 1892 gemachte Erfindung, welche berufen erscheint, die Kettenschifffahrt wieder in ihre frühere dominirende Stellung zurückzuführen.
Es gereicht mir zur grossen Genugthuung, an dieser Stelle aussprechen zu können, dass die Verwaltung der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft sich wahrscheinlich bereit finden dürfte, einen ihrer Kettendampfer nach dem Bovet’schen System abzuändern, welche Abänderung mit nicht zu grossen Kosten verknüpft sein wird. Ich bewog nämlich Herrn Bovet, mit dem ich seit dem Congresse 1892 in Paris in lebhaftem Briefwechsel stehe, nach Wien zu kommen, um sich die Kettenschifffahrt auf der Donau anzusehen, und, gestützt auf seine Beobachtungen, Adaptirungsvorschläge für diese Donau-Toueurs[WS 2] der Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft zu unterbreiten. Dieses letztere ist vor circa zwei Monaten geschehen und ich hoffe, dass wir vielleicht im Jahre 1895 auf der Donau einen Kettendampfer mit magnetischer Kettenrolle in Verwendung sehen werden. Von einem Risico kann bei diesen Versuche wohl keine Rede sein, nachdem das Bovet’sche System sich seit zwei Jahren vollkommen bewährt. Mit den bisherigen Kettentrommeln und der bereits ziemlich abgenützten Kette ist künftighin keine Gewähr für die Betriebssicherheit geboten; man müsste mit enormen Kosten eine neue Kette in die Donau legen. Nun, ich bin überzeugt, dass auf Grund der bisher gemachten Erfahrungen mit der magnetischen Kettenrolle, die eben erwähnte alte Flusskette noch ganz gut auf Jahre hinaus verwendet werden könnte.
Herr Bovet hat nämlich die früheren Nachtheile der Kettentrommeln ganz beseitigt; Bovet verwendet gar keine Trommeln, sondern benützt nur eine Kettenrolle und auch über diese wird die Flusskette auf nur dreiviertel ihres Umfanges geführt. Um nun die nothwendige Adhäsion der Kette auf dieser Rolle zu erzeugen (dem Zuge von 4500–5000 kg entsprechend), macht Bovet die Rollenwangen mittelst eines elektrischen Stromes stark magnetisch.
Anmerkungen (Wikisource)
A. Schromm: Kettenschifffahrt und Elektricität. Selbstverlag des Elektrotechnischen Vereins, Wien 1895, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kettenschifffahrt_und_Elektricit%C3%A4t.pdf/2&oldid=- (Version vom 5.1.2025)