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Seite:Kettenschifffahrt und Elektricität.pdf/3

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Nachdem nun der eigentliche Touage-Apparat in dieser ingeniösen Weise nicht nur vereinfacht, sondern bedeutend verbessert wurde, so erreicht man dadurch

a) eine bedeutende Verminderung in der Abnützung der Kette (also eine geringere Amortisationsquote);

b) die Beseitigung der Hauptursachen des Reissens der Kette (also eine erhöhte Betriebssicherheit);

c) die Beseitigung des Relaisdienstes (also einen rationelleren Betrieb);

d) die Verminderung der Betriebskosten (also wirthschaftlich vortheilhafter).

Diese eben citirten Vortheile gelten den bisherigen Kettendampfern gegenüber; aber auch den besten Remorqueurs[WS 1] (Schaufelrad- oder Schrauben-) gegenüber, werden dann diese mit der magnetischen Rolle ausgestatteten Toueurs bei Niederwasser ebenbürtig und bei Hochwasser unbestritten überlegen sein.

Mit dem ersten auf der Seine seit November 1892 im Betriebe stehenden Toueur „Ampère" mit magnetischer Rolle, werden gewöhnlich 12 Peniches[WS 2] à 300 t geschleppt, und zwar mit einer relativen Geschwindigkeit von 4¾ km pro Stunde, entsprechend einer absoluten Geschwindigkeit von 5¼ km, nachdem die Strömung in der canalisirten Seine circa 0,15 m beträgt.

Dabei indicirt die Maschine circa 100 HP[WS 3]. Der genannte Toueur „Ampère“ ist mit einer Schraube versehen, um thalwärts als gewöhnlicher Remorqueur zu dienen; als solcher erreicht er eine Fahrgeschwindigkeit von circa 20 km und indicirt dabei circa 170 HP. Ich muss hier noch hinzufügen, dass bei Anwendung der magnetischen Rolle dem mit Schraube versehenen Toueur die Möglichkeit geboten ist, an jeder beliebigen Stelle die Kette abzuwerfen, da höchstens nur 3 m Kette sich auf der Rolle befinden und diese 3 m gewiss keine „gefährlich lose Stelle“ für den nachfolgenden Toueur bilden; anders stellt sich die Sache bei den gewöhnlichen Toueurs, auf deren Trommeln sich circa 38 m Kette aufwickeln, die nicht so ohneweiters am Ende der Strecke abgeworfen werden können, da sonst der Toueur bei jeder Fahrt um 38 m weiter stromaufwärts käme und somit nach einer gewissen Zeit die ganze Kette oberhalb der eigentlichen Betriebsstrecke aufgehäuft läge.

Diese Uebelstände suchte man auf der Seine und auch bei uns auf der Donau dadurch abzuhelfen, dass man die Flussbette von 100 zu 100 m mit sogenannten „Schlössern“ zum Auslösen versah; jeder Toueur nahm am Ende seiner Fahrt ein solches Kettenstück von 100 m thalwärts mit und fügte dasselbe am Anfange der Fahrt der Kette wieder an. Dieser Vorgang hat den grossen Nachtheil an sich, dass sich die gesammte Flusskette in ihrer Lage nach aufwärts verrückt (das sogenannte Wandern der Kette), wodurch jede systematische Controle über deren Zustand, besonders an gefährlichen Stromstellen, unmöglich gemacht wird.

Ich habe diese Kettenschifffahrtsfrage etwas eingehender erörtert, weil dieselbe für unsere Touage auf der Donau von actuellem Werthe ist.

Ich gehe nun zu einem anderen elektrischen Schiffzugsysteme über, welches Ingenieur Galliot auf dem Burgunder Canal im Sommer 1893 einrichtete, und welches seit dieser Zeit, d. i. 15. August 1893, zur grössten Zufriedenheit functionirt.

Allerdings handelt es sich in diesem Falle nur um eine Scheitelhaltung von 6000 m Länge, wovon 3300 m im Tunnel liegen. Vom Jahre 1867 bis 1893 bediente man sich der gewöhnlichen, bereits früher beschriebenen Kettendampfer; die angewandte Kette wog pro laufenden Meter nur 4 kg. Man war bezüglich der Leistung dieser Kettendampfer (circa 200.000 t pro Jahr) sehr zufrieden, nur stellten sich die Betriebskosten etwas zu hoch, nämlich ca. 0,0166 Frcs.<--Fehler im Original Fcs.--> = 0,83 Kreuzer pro Tonnenkilometer. Als man nun vor der Frage stand, abermals neue Kettendampfer anzuschaffen, schlugen Chef-Ingenieur Fontaine und Ingenieur Galliot der französischen Regierung vor, mit dem elektrischen Betriebe einen Versuch zu machen. Diesem Vorschlage wurde zugestimmt und wir können uns nun eines schönen Erfolges der französischen Ingenieure erfreuen, denn dieser Frage muss ja auch bei uns näher getreten werden, nachdem die Canalisirung des Wiener Donau-Canales, welche mit Ende 1897 durchgeführt sein wird, einen den neuesten Fortschritten der Betriebstechnik entsprechenden Schiffsbetrieb erfordert.

Herr Ingenieur Galliot hat die an der erwähnten Scheitelhaltung vorhandenen beiderseitigen Gefälle (7 m bei Pouilly zur Seine hin und 8 m bei Escommes gegen die Saône hin) benützt, um die darin enthaltene Wasserkraft (= 35 HP) mittelst Turbinen zum Antriebe von Primär-Dynamos zu verwenden. Die solchergestalt gewonnene elektrische Kraft wird durch eine, dem Canale auf dem Lande entlang laufende Drahtleitung mittelst Wägelchens auf die auf dem Kettendampfer aufgestellte secundäre Dynamo-Maschine übertragen. Diese letztere treibt eine Kettenrolle an, welcher in ähnlicher Weise die Flusskette zugeleitet wird, wie beim Bovet’schen Toueur. Die Gesammtausgaben für die 6 km lange Strecke, inclusive der beiden Toueurs stellten sich auf 139.000 Frcs. Die Dimensionen der Toueurs sind: Länge 15 m, Breite 3,20 m, Tiefgang 0,45 m. Die Zugleistung beträgt durchschnittlich 17 Peniches mit circa 1400 t Ladung bei einer Geschwindigkeit von circa 3 km pro Stunde entsprechend einem Kraftaufwande von circa 15 HP.

Die Vorzüge dieser elektrischen Touage den früheren gewöhnlichen Kettendampfern gegenüber sind folgende:

1. Das Betriebspersonal ist weniger angestrengt als früher, nachdem nun das


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Remorqueurs ist die französische Bezeichnung für einen Schlepper mit Schufelrad- oder Schraubenantrieb.
  2. Peniche ist die französische Bezeichnung für einen Frachtkahn.
  3. HP steht für horse power (Pferdestärke).
Empfohlene Zitierweise:
A. Schromm: Kettenschifffahrt und Elektricität. Selbstverlag des Elektrotechnischen Vereins, Wien 1895, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kettenschifffahrt_und_Elektricit%C3%A4t.pdf/3&oldid=- (Version vom 5.1.2025)