„Sitz!“ befahl Günther. „Kehr’ das Gesicht zum Feuer hin. Laß die Zöpfe über die Schultern hängen. So!“
Eve gehorchte. Sie saß schweigend da, die Hände flach auf die Knie gelegt; die runden Augen, unverwandt auf Günther geheftet, verschleierten sich feucht vor Erregung.
„So.“ Günther war zufrieden. Das große halbnackte Mädchen, mit seiner unbekümmerten Sinnlichkeit, atmete eine ruhige, zuversichtliche Kraft, von der etwas auch auf ihn überzugehen schien. Er glaubte den nervösen, unbefriedigten Günther für einige Augenblicke los zu sein.
Durch die halbangelehnte Tür sah er in der Schankstube pelzvermummte Gestalten mit Peitschen in den Händen am Tische sitzen. Sie flüsterten und tranken Schnaps. Auf der Ofenbank schlief der Hausierer Abbe.
„Wie war’s, als du mit dem Pankow gingst?“ fragte Günther. Eve schwieg. „Sprich!“ befahl Günther.
„Der Hund,“ sagte Eve heiser.
„Na ja, er sagt doch – daß er dich gehabt hat – nicht?“
Eve stand auf, ging in die dunkle Ecke des Zimmers. Günther hörte sie dort weinen.
So war’s jedesmal. Das Starke in diesem wilden Mädchen zog Günther an, aber kaum fühlte er es in seiner Gewalt, dann trieb es ihn, es zu beugen. Er mußte Eve weinen und gehorchen sehen.
„Hierher!“ rief Günther. Eve schwieg. „Hierher – hierher,“ wiederholte Günther, als riefe er einen Hund. Eve kam langsam näher, das Gesicht warm und rosig vom Weinen. Die Augen richtete sie brennend, wie hungrig, auf Günther. „Totschießen werd’ ich den Pankow. Fuchspillen
Eduard von Keyserling: Beate und Mareile. S. Fischer, Berlin [1903], Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Beate_und_Mareile.djvu/62&oldid=- (Version vom 1.8.2018)