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Neuntes Kapitel

Der Geheimrat von Knospelius kam zum Fünfuhrkaffee in den Bullenkrug. Behaglich saß er an dem langen Tisch auf der Veranda, über dem die Blätterschatten der rankenden Bohnen flirrten. Es duftete nach den Sträußen von Erbsenblüten und nach frischem Brot. Schmunzelnd schaute Knospelius auf die Reihe der jungen Gesichter am untern Ende des Tisches. „Familienmahlzeit, Familientisch,“ sagte er zur Generalin und sein langer Mund sprach diese Worte aus, als schlürfte er eine Auster. „Das ist für mich ein seltener, aber exquisierter Genuß. Bei meiner Schwester in Thüringen habe ich zuweilen diesen Genuß. Eine Familienmahlzeit hat etwas Sakramentales. Sie ist, möchte ich sagen, das Fundament der Familie. Solange es mit der Familienmahlzeit gut steht, kann es mit der Familie nicht schlecht stehen.“

„Nun,“ meinte die Baronin Buttlär, „wir haben Gott sei Dank noch andere Fundamente.“

„Mein Schwager,“ fuhr der Geheimrat fort, „sagte zu meiner Schwester: „Karoline, sollte ich

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Eduard von Keyserling: Wellen. S. Fischer, Berlin 1920, Seite 121. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Keyserling_Wellen.pdf/121&oldid=- (Version vom 1.8.2018)