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jedoch dabei wie ein Uhlandscher Schäfer andächtig auf die Kniee zu fallen.

Thoreau war ein vollendeter Meister in der Kunst, sich Mußestunden zu verschaffen, ohne daß man ihn deshalb gerade des Müßigganges anzuklagen braucht. Seine Bedürfnißlosigkeit war die Quelle seiner Selbstständigkeit; er arbeitete überhaupt nur dann, wenn es ihm an den nöthigsten Mitteln zur Stillung seines Hungers gebrach.

Je weniger der Mensch braucht, desto reicher ist er, pflegte er zu sagen. Von diesem Standpunkte aus betrachtet, muß Thoreau für einen der wohlhabendsten Männer seiner Zeit angesehen werden. Er wollte ausschließlich nach seinen eigenen Ansichten leben und sich nicht zur Beschaffung überflüssiger Bequemlichkeiten in die Tretmühle eines bestimmten Geschäftes zwängen lassen. Die Pflichten seines eigentlichen Amtes, wozu er sich selber ernannt, waren: den Lauf der Sonne, Wolken und Stürme zu beobachten, Alles, was auf Erden kreucht oder in den Lüften fleugt, zu studiren und sich betreffs aller Vorgänge in Wald und Feld auf dem Laufenden zu erhalten.

An Welt und Menschen stellte er wenige Ansprüche. Wenn ihm das Geld ausgegangen, so war er bereit, irgend eine Arbeit zu verrichten; dann spaltete er Holz für Emerson, half seinem Vater Bleistifte fabriciren oder verrichtete die Dienste eines Landvermessers, wozu er eine besondere Geschicklichkeit besaß.

An Emerson besaß er einen treuen und zuverlässigen Freund. Derselbe hielt große Stücke auf ihn; er führte ihn in die Kreise seiner Bekannten ein und beredete ihn auch, einige seiner Aufsätze dem „Dial“, dem Organe der Transcendentalisten, zu überlassen. Von 1841 bis 1843 wohnte Thoreau sogar in Emerson’s Haus und machte sich dort auf mannigfache Weise nützlich. In einem an Carlyle gerichteten Briefe schreibt Emerson:

Empfohlene Zitierweise:
Karl Knortz: Ein amerikanischer Diogenes (Henry D. Thoreau). Verlagsanstalt und Druckerei A.-G., Hamburg 1899, Seite 9. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Knortz-Ein_amerikanischer_Diogenes_(Henry_D.Thoreau).djvu/9&oldid=- (Version vom 1.8.2018)