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noch die Sprache der ungebildeten Bauern geblieben, schien in ihrer Existenz in Frage gestellt. Als im Jahre 1818 die erste Grammatik der kleinrussischen Volkssprache herausgegeben wurde, fügte der Verfasser erklärend hinzu, daß dies aus rein historischem Interesse geschehe, denn die kleinrussische Sprache sei im Aussterben begriffen, eine nicht lebendige und nicht tote Sprache. Doch als diese Worte geschrieben wurden, da waren die ersten Schritte zur Wiedererweckung der kleinrussischen Litteratur bereits gethan.

Das erste Werk, welches – abgesehen von einigen früheren Versuchen, die jedoch meist ungedruckt blieben und nicht genügende Beachtung vor der Öffentlichkeit fanden – in kleinrussischer Sprache erschien und dabei Anspruch auf litterarischen Wert machen konnte, war die Travestie der Vergilschen Aeneis von Iwan Kotlarewski. Das war im Jahre 1798 – und im Jahre 1898 da wurde allerorten, wo Kleinrussen wohnen, in Kiew, Odessa, Lemberg, Czernowitz u. v. a., das Andenken jenes ersten kleinrussischen Dichters und der hundertste Geburtstag der kleinrussischen Litteratur als hoher Festtag begangen.

Sehen wir, was diese Litteratur in ihrem ersten Jahrhundert geschaffen hat.

Zunächst jene Aeneis, deren erste Auflagen in Petersburg erschienen. Der Dichter hatte die Anregung dazu in einer russischen Bearbeitung von Blumauers „Aeneis“ gefunden, aber die Art, wie Kotlarewski

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite II. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/10&oldid=- (Version vom 13.9.2022)