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zu Unrecht; denn mit dem, was er in diesem heiteren Gewande erzielen will, ist es dem Dichter heiliger Ernst, und überall leuchtet herzliche Humanität und wahre Liebe zum Volke hervor. Kotlarewski, welcher, im Jahre 1769 in Poltawa als Sohn eines kleinen Beamten geboren, im Jahre 1838 als Major und Leiter einer Erziehungsanstalt in seiner Heimat starb, ist auch der Schöpfer des nationalen Dramas geworden. Dies letztere stand damals in Kleinrußland noch ganz im Banne des Kirchentums, etwa auf der Stufe der mittelalterlichen Mysterien. Auch hier trat Kotlarewski als bahnbrechender Neuerer auf, indem er mit mächtigem Griff sein kleinrussisches Volk und kleinrussisches Leben auf die Bühne stellte. Und noch heute wird seiner „Natalka Poltawka“ und dem „Moskauer Zauberer“ in kleinrussischen Theatern zugejubelt.

So wird Kotlarewski nicht nur als Begründer der Litteratur, sondern auch als Erwecker des nationalen Bewußtseins in seinem Volke gefeiert. Ja, es lassen sich in seinem Werke im Keime bereits jene Züge erblicken, welche die gesamte kleinrussische Litteratur fernerhin charakterisieren: die scharfe Betonung des Nationalen, die schwärmerische Kosakenromantik, die streng demokratische Volkstümlichkeit. Dieser demokratische Zug, welcher sich in allen slavischen Litteraturen bemerkbar macht, liegt bei den Kleinrussen besonders fest begründet in den äußeren Verhältnissen.

Empfohlene Zitierweise:
Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite IV. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/12&oldid=- (Version vom 13.9.2022)