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hatte rein slavische Züge; überhaupt – er hatte etwas Eigenes an sich. Etwas Anziehendes, Zwingendes, etwas, das ihre Aufmerksamkeit erweckt hatte. Gewöhnlich sah sie ihn nur an ihrem Fenster vorbeigehen – d. h. zu ihrem Vater gehen. Aber sie hätte einmal seine Augen und seinen Mund aus der Nähe sehen mögen … Nur einmal – dann hätte sie weiter aus dem Gedächtnisse gemalt.

Ja, es gab Augenblicke, in denen sie fähig war, Großes zu leisten, gespannt war wie ein Bogen, der Pfeile absenden soll in weite Ferne. Aber das dauerte nie lange. Sie schrumpfte in sich zusammen und ward träge. Das Warten machte sie matt und verstimmte sie. In solchen Momenten suchte sie die Natur auf.

Dort holte sie sich Kraft und Ausdauer. Dort feierte sie ihre goldenen Stunden des Sieges – z. B. wenn sie eine hohe, gefährliche Spitze erklommen, einen steilen Fels, wenn sie einen Adler aus der Nähe betrachtete, seine schwarzen, funkelnden, feindseligen Augen, seine lauernde, vornüber gebeugte Haltung. – – –

Ganz besonders liebte sie den Herbst.

Aber nicht jenen, der nur feuchte, dämmerige

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Olga Kobylanska: Kleinrussische Novellen. J. C. C. Bruns’ Verlag, Minden i. Westf. [1901], Seite 10. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:KobyljanskaKleinrussischeNovellen.pdf/46&oldid=- (Version vom 13.9.2022)