Ich soll Ihnen schildern, welche Betrachtungen und Empfindungen in mir erwachen, indem ich jetzt die Ausstellung besuche? Gern; doch Sie müssen mich treu begleiten. Wir wollen kurze, aber öftere Besuche in diesen Sälen machen, um mit immer frischgeschärftem Auge hin zu kommen. Das allgemeine Fortschreiten der Schüler der hiesigen königl. Akademie ist auffallend und erfreulich; neben dem fruchtbringenden Fleiße der Meister, wächst und reift manche hoffnungsvolle Blüthe hervor. Doch zuerst wenden wir uns im mittlern Saale zu dem herrlichen Portrait des Pabstes, welches der sehr verdienstvolle Portraitmaler Vogel; Sohn des verstorbenen hiesigen Professors, für unsern König malte. Dies Bild übt eine furchtbare Gewalt aus, denn es schlägt alles nieder, was sich in seine Nähe wagt. Diese Klarheit, diese Bestimmtheit, diese überaus reinen und glänzenden Farben, müssen jedes Auge fesseln. Es ist höchst interessant, hierdurch, für das Portraitfach wenigstens, einen Begriff von dem zu bekommen, was die jetzige deutsche Künstlerschule in Rom leistet, und die Wahrheit und Vollendung dieses Gemäldes muß die Bewunderung jedes Unpartheiischen gewinnen. Die Behandlung erinnert an die Portraits des Leonardo da Vinci. Alles, bis aus die kleinsten Nebendinge, ist mit unglaublichem Fleiß ausgeführt; Kopf und Hände sind äußerst klar gehalten; Alles ist bestimmt und kantig darin gezeichnet, ohne hart zu seyn. Es ist nach keiner Magie malerischer Wirkung hier gestrebt; aber es ist das Wunderbare der höchsten naturgemäßen Wahrheit vollkommen erreicht. Daß weder der Kopf, noch die Gestalt vortheilhaft für malerische Darstellung sind, macht das Werk desto mehr zu einem Triumphe der Kunst. Sr. Heiligkeit sitzt auf dem reichverzierten Gold- und Purpursessel, in dem Costum, welches üblich ist bei der Audienzertheilung an ein gekröntes Haupt, neben dem mit Purpurrothen Damast bedeckten Tische, worauf Cruzifix und Breviar ruhen. Grüner Damast bildet den Hintergrund, er ist so behandelt, daß ein Engel in diesem Gewebe eine Krone über das Haupt des Pabstes hält; ein reichdurchwürkter Teppich liegt unter den mit den purpursammtnen Pantoffeln bekleideten Füßen. Die ganze Stellung ist aus dem Leben gegriffen. Wer vor diesem Bilde steht, bewundert die täuschende Wahrheit der verschiednen Stoffe, den trefflichen Faltenwurf, durch welchen das weiße Untergewand die Knie bezeichnet, die Purpurglut des Sammtes etc.. Wer nicht Künstler ist, vergißt es ganz von dem Kopf und den Händen zu sprechen, und hierin liege das höchste Lob; denn da sie eben so täuschend wahr dargestellt sind, wie die Stoffe, so vergißt man, daß sie ein Werk von Menschenhänden waren. Nichts ist vernachläßigt, nichts aufgeopfert bei diesem Bilde; doch ist es unläugbar wahr, daß dies der Haltung und Ruhe etwas schadet. Freudiges Anerkennen lohne dem wackern jungen Künstler, dessen ernstes Streben nach treuer Wahrheit schon im Norden und im Süden ihm Ruhm erwarb. Möchte er nur ins Künftige seinen Fleiß nicht zu sehr aufs Einzelne richten und etwas mehr nach malerischer Wirkung des Ganzen trachten.
Nur ein Gemälde hält die gefährliche Nähe dieses Portraits aus, ohne zu erliegen, dies ist aber auch der kühne, frommbegeisterte Johannes der Täufer, der sich vor keinem Pabst zu scheuen braucht.
Unbekannt: Bemerkungen über die diesjährige Dresdner Kunstausstellung, in Briefen. F. A. Brockhaus, Leipzig 1818, Seite 581. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kunstblatt_1818_Dresdner_Kunstausstellung.djvu/1&oldid=- (Version vom 10.11.2024)