bei der nicht beträchtlichen Hinterlassenschaft keine leichte Aufgabe, die Kinder zu erziehen. Sie ermunterte aber die bei ihrem Sohne Emmerich schon früh hervortretende Neigung zum Zeichnen, Drechseln und Holzschnitzen und förderte in dem Knaben die Anlage zu einem künstlerischen Lebensberufe. Nachdem er die Schule seiner Vaterstadt besucht hatte, kam er in das Atelier des Bildhauers Vivié in Hamburg, eines Schülers von Schwanthaler; zugleich war er Schüler der unter Vivié's Leitung stehenden Sonntagsklasse für Modellieren im „patrio- tischen Hause,“ sowie der Zeichenklasse des gediegenen Malers Günther Gesler, wo er stets die höchsten Preise errang. Inzwischen war man am dänischen Hofe auf den jungen Künstler aufmerk- sam geworden und von dort flossen ihm mehrfache Unter- stützungen zu, welche seine höhere Ausbildung ermöglichten. So trat er 1863 in das Atelier des berühmten Bildhauers Prof. Hähnel in Dresden, der ihn sofort an der Reiterstatue des Fürsten Schwarzenberg, die für Wien bestimmt war, arbeiten ließ. Durch Stipendien aus dem Schleswig-Holsteinschen Provinzialfond für Kunst und Wissenschaft, die ihm Gönner in der Heimat auf Empfehlung Hähnels auswirkten, wurde der Künstler in den Stand gesetzt, auch 'eigene Arbeiten zu beginnen; ein Relief „Jupiter und Ganymed“ und eine sitzende Figur ,,Die Sage“ brachten ihm akademische Preise. Er eröffnete nunmehr sein eigenes Atelier und ging sofort an die Aus- führung einer schon lange gehegten Idee: es entstand das Modell zu der Statue Gefesselte Psyche.“ Nebenbei modellierte er eine Statue Thorwaldsens, wozu er die erforderlichen Studien in Kopenhagen gemacht hatte. Dieselbe wurde als Geschenk des Konsuls Laeiß 1869 in einer Nische in der Kunst- halle in Hamburg aufgestellt. Gleichzeitig erhielt er von der Schleswig-Holsteinschen Regierung ein Stipendium für eine Reise nach Italien, wo die Sehnsucht seiner Künstlerseele Befriedigung fand. Durch die Unterstützung seines in Ütersen lebenden Stiefbruders ward ihm ein inniger Wunsch erfüllt: die Ausführung seiner Psyche in Marmor. Er sandte die fertige Statue 1871 auf die große Ausstellung nach Berlin, wo sie ein ganz ungewöhnliches Aufsehen erregte. Kaiser Wilhelm kaufte sie an für das Berliner Schloß. Bald entstand eine zweite Marmorstatue „Genius des Ruhmes“, und diese sowie das Modell der Psyche brachten Andresen auf der Wiener Weltausstellung die Medaille für Kunst. 1877 vollendete er eine Statue für das Grab seines Vaters in Ütersen. In der- selben Zeit wurden auch die vier Jahreszeiten als Kindergruppen in Terrakotta ausgeführt, die in den Kunsthandel gelangten
Wilhelm Loose: Lebensläufe Meißner Künstler. C. E. Klinkicht & Sohn, Meißen 1888, Seite 5. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lebensl%C3%A4ufe_Meissner_K%C3%BCnstler.pdf/11&oldid=- (Version vom 7.12.2024)