Dichtungsformen, in welchen sich diese bewährt hat, so mannigfach und glänzend vertreten, daß, hätte der Dichter auch sonst nichts geschrieben, das Vorliegende allein genügen könnte zur kritischen Würdigung seiner Dichtergröße und zur genauen Zeichnung seines Dichterbildes in vollkommener Aehnlichkeit und Uebereinstimmung mit jenem Gemälde, das gewiegte Kunstrichter uns aus seinen übrigen Werken entworfen haben. So führt dieser Nachlaß uns Ueberlebenden die gliederreiche Reihe dichterischer Thaten des Dahingeschiedenen, wie bei einem ernsten Todtengerichte der Alten, noch einmal vor das Auge, daß wir den Mann und Dichter in seiner ganzen Würde und bedeutsamen Eigenthümlichkeit noch einmal an uns vorüberschreiten sehen und den tief erschütternden, aber auch erhebenden Ernst dieser Erscheinung verstehen lernen. In unsere Todtenklage darf sich das Gefühl der Befriedigung mengen, daß die edle Kämpfergestalt, indem sie unserm sinnlichen Auge entrückt wurde, vor unserem geistigen Blicke in ihrer reinen Erhabenheit stehen blieb, aufrecht, das leuchtende Schwert noch erhoben, Siegesgewißheit im wahrheitdurstigen Auge und den ersten noch ungetrübten Wiederschein der anbrechenden Morgenröthe auf dem blanken mackelreinen Schilde; – wir sind beruhigt,
Nicolaus Lenau: Nicolaus Lenau's dichterischer Nachlaß. J. G. Cotta, Stuttgart und Augsburg 1858, Seite XIII. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lenau_-_dichterischer_Nachlass,_1858.djvu/17&oldid=- (Version vom 26.11.2022)