Seite:Leo Kriegserinnerungen 28.jpg

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immer Berg auf Berg ab, das ermüdet sehr. Am Wegrande standen die Kilometersteine, es wurde ganz genau der Kilometer in 12 Minuten abgegan­gen. Zuweilen wussten wir, wie gross der Tage­marsch sein sollte, dann konnten wir ihn an den Steinen abzählen. Zuweilen sah man den Kirchturm des erhofften Marschzieles in der Ferne und berechnete die Entfernung viel zu gering oder auch man musste an ihm vorbeimarschieren. Einmal kam es vor, dass wir nach einem besonders langen und beschwerlichen Marsch unser Ziel erreicht hatten und statt der Quartierbillets unsre Fouragiere die Nach­richt brachten, das Dorf sei von Einquartierung überfüllt; da mussten wir noch zehn Kilometer weitermarschieren und dachten nicht, dass wir es aushalten würden. Wie oft habe ich mir geschworen, nie mehr einen Kilometer freiwillig zu wandern! und wie untreu bin ich diesen Schwüren geworden. Die Gegend, durch die wir zogen, war trotz des Winters zum Teil sehr hübsch, besonders das Tal der Yonne; aber der Gedanke, dass man Natur und Landschaft geniessen könne, war einfach absurd. Unser Weg ging keineswegs in gerader Linie von Troyes nach Orleans, sondern über Estissac, Villeneuve, Dimont am 20. nach Joigny, einem hübschen Städtchen, in dem wir Ruhetag feierten; weiter in zwei anstrengenden Tagemärschen nach Montargis, wo wieder Ruhetag war; dann die Weihnachtsfeier­tage hindurch in starken Märschen über Bellegarde und Fay aux Loges nach Orleans, wo wir am 27. einrückten.

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 28. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_28.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)