Seite:Leo Kriegserinnerungen 29.jpg

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Während des ersten Marsches wurde mir klar, dass mein Gepäck zu schwer war. Im Quartier musterte ich also den Inhalt meines Tornisters, um zu entscheiden was ich zurücklassen wollte. Das waren zunächst die nicht ganz notwendigen Reservesachen, vor allen das gewichtigste, ein zweites Paar Stiefel. Die hatte ich in Hannover neu machen lassen und wog sie nachdenklich immer wieder in der Hand, Da sagte ein biederer Ersatzreservist und Westfälinger, der mir zusah: ‚Sie trennen sich auch nicht leicht von irdischem Besitz‘, und die Stiefel flogen zu Boden. Ferner blieb in diesem Quartier die eiserne Ration zurück, das war eine Quantität Schiffs­zwieback, von einem Tannenbrett nicht zu unterscheiden, die man als die überflüssigste aller militärischen Einrichtungen für den äussersten Notfall immer bei sich führen sollte, dazu wurde sie beim Auszug geliefert. Man konnte aber sicher sein, dass einer dem ein solches Brett als etwas Essbares vor­käme, vor Hunger schon so geschwächt sein würde, dass er es nicht beissen könnte. Also liessen wirs liegen. Ferner muss ich leider gestehn, dass ich einen mitgenommenen Homer liegen liess, wahrscheinlich weil ich nach dem ersten Marschtage für die edleren Reizungen der Seele unempfindlich geworden war.

Ich will übrigens gleich sagen, dass ich nach einigen Wochen gegen diese Mühsale abgehärtet war. Ich war eben noch sehr jung und wuchs erst während des Feldzuges richtig aus; und in der Garnison waren wir für das Marschiren, die eigentliche Hauptleistung

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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_29.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)