Seite:Leo Originalität 15.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

der Universität, die solcher Organe bedarf. Denn die Organisation der Universität als einer die Gesamtheit der Wissenschaften umfassenden öffentlichen Lehranstalt muss so beschaffen sein, dass sie eingreifend und mitwirkend den Veränderungen des öffentlichen Bildungslebens folgen, seine Stösse pariren, seine Anstösse zum Guten lenken, die in ihren Bereich fallende Entwicklung führen könne. Diese Organisation ruht in den Fakultäten. Die Fakultäten richten keine Schranken zwischen den Wissenschaften auf. Sie sind Verwaltungskörper, die lediglich für die zweckmässigste Einrichtung des öffentlichen Unterrichts, die lediglich dazu da sind, dass die Universität durch stets rasch und sicher arbeitende Organe das Gute zu erhalten und zu ersetzen, das Neue nutzbar zu machen, das Ephemere fern zu halten vermöge. Wenn sie diesen Zwecken nicht mehr genugtun, so müssen die Fakultätsgrenzen anders gezogen werden.

Die Fakultäten trennen uns nicht und verbinden uns nicht; aber die Universität verbindet uns mit der ihr innewohnenden Einheit. Die Vielheit der Wissenschaften trennt uns nicht, sie verbindet uns mit dem Bande, das die Wissenschaften selbst zu einer Einheit macht. Wenn die Einheit der Wissenschaft den Maasstab gibt, so erscheinen die Fakultätsgrenzen als das was sie in Wahrheit sind. Es ist zum Schaden des Ganzen, wenn man aus missverständlicher Anwendung ideeller Argumente die reale Wirkung lahm legt, der die Fakultäten zu dienen bestimmt sind.

Ich gedachte etwas von diesen Sätzen an den vorliegenden Preisfragen selbst zu demonstrieren. Aber ich ziehe es vor, rasch über sie hinwegzugleiten, denn wir können mit der Preisbewerbung dieses Jahres keinen Staat machen. Nur eine Aufgabe hat einen Bearbeiter gefunden, die der medizinischen Fakultät. Das Thema lautet:

„Es soll, im Anschluss an eine Zusammenstellung des einschlägigen literarischen Materiales, untersucht werden, inwieweit die Wirkung des Mutterkorns und seiner Präparate, insonderheit die des Sphacelotoxins, auf den Uterus von einer Wirkung auf die Circulation, inwieweit von einer direkten Beeinflussung nervöser Apparate oder der Muskulatur abhängt“. Es ist eine Arbeit eingegangen mit dem Motto: The proper study of mankind’s man. Das Urtheil der Fakultät lautet:

Wie bei dem Umfang des gestellten Themas kaum anders zu erwarten war, hat der Verfasser auf eine Behandlung desselben in seiner Gesamtheit verzichtet und hat sich darauf beschränkt,

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Leo: Die Originalität der römischen Litteratur. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1904, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Originalit%C3%A4t_15.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)