„Nein!“
„Aber Sie sehen doch mein Gesicht, – mein furchtbares Gesicht! Erregt es denn nicht Ihren Abscheu?“
„Nein!“
„Aber – – –“
„Sind Sie nur wegen Ihres Gesichts unglücklich?“
„Nur wegen – – nur ... nur ...“
„Nun ja, – das ist doch kein Grund!“
„Kein Grund?“ Er wurde immer verwirrter. Die 35 Jahre seines Elends, das er seinem Gesicht verdankte, traten vor seine Augen ... Kein Grund?
„Aber deswegen bin ich doch immer so allein,“ sagte er schliesslich.
„Liebt Sie niemand?“
„Niemand ..!“
„Mich liebt auch niemand!“
Er sah sie von der Seite an. Wie war das möglich?
Dann sagte er langsam:
„Haben Sie keine Eltern mehr?“
„Nein. Sie sind tot. Ich lebe nur mit einer alten Tante, die mich nicht leiden kann, weil ich immer thue, was ich will. Aber meine Eltern haben mich auch nicht geliebt .... Sie hätten lieber einen Knaben gehabt.“
„Sie sind wohl noch sehr jung?“
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/19&oldid=- (Version vom 24.10.2016)