Sie sieht ihn nachdenklich an und schweigt.
Einen Moment treffen sich ihre Augen, – dann blicken beide scheu zur Seite.
„Hier ist ja noch ein Zimmer,“ sagt Lea, um das Gespräch abzulenken, und schiebt die Portiere zurück.
Drinnen entdeckt sie den Frühstückstisch und schelmisch lächelnd wendet sie sich nach Ludwig um. Der ist ihr zögernd gefolgt und blickt sie ängstlich an.
Aber Lea ist weit davon entfernt, seine Fürsorglichkeit übel zu nehmen.
„Für zwei Personen,“ lacht sie, – „hatte ich Ihnen denn erzählt, dass ich unbedingt immer um zwölf Uhr mein Frühstück haben muss? Oder haben Sie es geahnt?“ So hilft sie ihm über die Verlegenheit hinweg ... „Also wirklich, mich hungert,“ und da sitzt sie auch schon und breitet ihre Serviette auseinander.
Ludwig strahlte vor Glück und überbot sich an Liebenswürdigkeit und Aufmerksamkeiten ... sie lachte dazu, ausgelassen wie ein Kind.
Plötzlich wurde sie ernst.
„Es kommt uns beiden ganz natürlich vor, dass wir hier beisammen sitzen und frühstücken, – nicht wahr?“
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 43. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/43&oldid=- (Version vom 24.10.2016)