„Aber ja!“
„So Anderen Leuten würde es aber nicht so natürlich vorkommen, sondern im Gegenteil ....“
„Ach, sprechen Sie es nicht aus,“ flehte er.
„Warum nicht? Ich thue ja trotzdem immer, was ich will, – auf jede Gefahr hin,“ sagte sie nachdrücklich.
„Sie thun ein gutes Werk, indem Sie einem einsamen Unglücklichen ein paar Stunden Glück schenken, – – wer wollte Sie dafür schmähen?“
„O, viele Menschen!“ lachte sie freundlich. „Aber ich habe gar kein gutes Werk gethan ...“
„Sondern?“
„Sondern? Nichts sondern. Ich wollte gar nichts Gutes thun!“
„Was denn?“
„Ach, Sie denken vielleicht, ich hatte Mitleid mit Ihnen?“
„Ich weiss nicht, ob ich das gedacht habe – – Ich habe wohl gar nichts gedacht, sondern mich nur gesonnt!“
„Nein, ich hatte kein Mitleid, – nicht das geringste. Mitleid habe ich nur mit schwachen Leuten, an denen mir sonst eigentlich nichts liegt. Im Grunde verachte ich beides, Schwäche und Mitleid.
Hennie Raché: 'Liebe. Roman'. G. Müller-Mann’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1901, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Liebe_(Hennie_Rach%C3%A9).djvu/44&oldid=- (Version vom 24.10.2016)