Seite:Loens Der zweckmaessige Meyer.pdf/92

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Eines schönen Tages war auch Quaaks wieder da. Ganz schwarz war er von dem Winterschlaf geworden und schauerlich mager. Der Rückenknochen stand ihm heraus, wie bei einem Droschkenroß vierter Güte oder wie bei einem Radfahrer, dessen Lenkstange zu tief sitzt. Verschlafen blinzelte er mit seinen goldenen Augen in die Sonne, machte einen Kopfsprung in den Teich, berechnete den Kubikinhalt und zeigte sich sehr zufrieden mit der Erweiterung seiner Wohnung.

Von Tag zu Tag wurde er grüner und dicker, fing auch an lauen Abenden zu quarren an. Er hatte drei ganz bestimmte Sitze am Ufer, mit Alpenehrenpreis, Gletschermilzkraut und Steinbrech bewachsene Steine unter den Wedeln hoher Königsfarne und den Zweigen der blauen Wiesenraute. Dort saß er, wartete, bis sich eine Brummfliege nahte, klappte die rosenrote Zunge heraus und ehe der Brummer sich über den Vorgang so recht klar wurde, fühlte er sich schon den zersetzenden Einflüssen des Magensaftes von Quaaks rettungslos verfallen.

Um zehn Uhr abends war Quaaks verschwunden. Ich habe niemals erfahren, wo er dann war. Wenn Regenwetter nahte, war er unsichtbar; dann steckte er unten im Wasser aus Angst vor dem Naßwerden. Je heißer es war, desto lieber war es ihm. Er wurde dann immer breiter und sah fast rund aus. Dann war er so faul, daß ich ihn sogar streicheln konnte, was er sonst nicht gern hatte, da er äußerst kitzlich war.

Um ihm Gesellschaft zu geben, setzte ich ein halbes Dutzend halbwüchsiger Laubfrösche in den Teich. Mit wutverzerrtem Gesicht sprang er in das Wasser. Die armen Laubfrösche suchten sich hampelnd und strampelnd zu retten, aber einen erwischte er doch, und ehe ich es verhindern konnte, war das arme Kerlchen hinuntergeschluckt. Um ihn zu strafen, setzte ich eine dicke Knoblauchskröte hinein, was ihm ganz entschieden nicht paßte. Wenn er sie aus Versehen berührte, dann kriegte er ordentlich eine Gänsehaut.

Empfohlene Zitierweise:
Hermann Löns: Der zweckmäßige Meyer. Sponholtz, Hannover 1911, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loens_Der_zweckmaessige_Meyer.pdf/92&oldid=- (Version vom 1.8.2018)