Seite:Loos Sämtliche Schriften.pdf/140

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und stellen sich an den amboß, an den webstuhl, an die drehscheibe, vor den brennofen und die hobelbank! Weg mit aller zeichnerei, weg mit der papierenen kunst! Nun gilt es, dem leben, den gewohnheiten, der bequemlichkeit, der brauchbarkeit neue formen und neue linien abzugewinnen! Drauf und dran, gesellen, die kunst ist etwas, was überwunden werden muß!

Angesichts dieser stets wachsenden begeisterung für die gute gewerbliche bewegung müssen wir es tief bedauern, daß unsre künstlerische jugend halb teilnahmslos zur seite steht. Selbst diejenigen, die berufen wären, kokettieren, wie wir gesehen haben, mit den absoluten künsten. Das umgekehrte, daß die künstler auf das handwerk zurückgehen, ist natürlich schon gar nicht der fall. Sollte denn wirklich so wenig begeisterungsfähigkeit in unserer jugend stecken?

Aus den wenigen gewerblichen arbeiten in der ausstellung können wir uns eine antwort auf diese frage schon geben. Es ist, als ob dem schüler zu gunsten eines starren dogmas die ihm eigene seele aus dem körper hinausgezeichnet, -korrigiert, -konstruiert, -modelliert, und -doziert worden wäre. Die natur wird studiert – aber ohne erfolg. Denn solches studium ist doch für das kunstgewerbe nur mittel zum zweck. Was erreicht werden soll, ist die fähigkeit, das in der natur vorhandene zu stilisieren, oder, besser gesagt, dem material, aus dem es gebildet werden soll, dienstbar zu machen. Dazu fehlen in der schule der mut und die kraft, vor allem aber die materialkenntnis. Das dogma, an dem diese schule zugrunde gehen muß, ist die ansicht, daß unser kunsthandwerk von oben herab, von den ateliers aus reformiert

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/140&oldid=- (Version vom 1.8.2018)