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europäern der reinlichste mensch ist. Es ist ein wassertier. Wasser ist ihm ein so starkes bedürfnis, daß es keinen halben tag ohne bad aushalten kann. Der begriff der reinlichkeit ist wohl jedem tiere fremd, aber die haut des schweines dürstet nach feuchtigkeit. Die romanen und orientalen haben dafür kein verständnis, und so verkommt das schwein bei ihnen und wird gezwungen – es ist die unerhörteste tierquälerei –, sich in seinem eigenen unrat zu wälzen. Und bei den juden gilt das schwein gar als unrein. Beim deutschen bauern schläft es mit der familie. Es ist von allen tieren das unentbehrlichste. Seine haut ist nackt wie die der menschen. Und die anatomen studierten, bevor sie sich an den menschlichen leichnam wagten, am schwein.

Der romane ist, wie ich sagte, anderer ansicht. Das schwein macht sich schmutzig und geht nachher ins wasser. Romanische kultur predigt: Mache dich nicht schmutzig, dann brauchst du kein wasser. Es war schon ein romanisierter germane, der sein söhnchen lehrte: Das muß ein schönes schwein sein, das sich alle tage waschen muß. Das kulturideal der romanen ist die katze. Die katze ist ein richtiges drecktier. Von allen tieren haßt sie das wasser am meisten. Den ganzen tag über leckt sie den schmutz, der sich an ihrem fell ansammelt, und daher geht sie jedem schmutz ängstlich aus dem wege. Der engländer aber, der repräsentant der germanischen kultur, macht sich immer schmutzig. Im stall, zu pferde, im feld, in wald und flur, auf bergen und yachten. Er greift überall selbst zu und überläßt das nicht bezahlten knechten. Er reitet. Der romane läßt sich vorreiten. Fuchsjagd und karussel. Der engländer lehrte uns, unsere berge zu besteigen, und tausend dinge, bei denen man sich

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/265&oldid=- (Version vom 1.8.2018)