so starke innere gesetze, daß es nur in einer einzigen form erscheinen kann.
Ein roman, der ein gutes drama ergibt, ist sowohl als roman wie auch als drama schlecht. Ein weit ärgerer fall ist es noch, wenn zwei verschiedene künste, weisen sie auch sonst berührungspunkte auf, vermischt werden können. Ein bild, das zur panoptikumgruppe taugt, ist ein schlechtes bild. Den salontiroler kann man wohl bei Kastan zu sehen bekommen, nicht aber einen sonnenaufgang von Monet oder eine radierung von Whistler. Fürchterlich aber ist es, wenn eine architekturzeichnung, die man durch die art ihrer darstellung schon als graphisches kunstwerk gelten lassen muß – und es gibt wirkliche graphische künstler unter den architekten –, in stein, eisen und glas ausgeführt wird. Denn das zeichen des echt empfundenen bauwerkes ist: daß es wirkungslos in der fläche bleibt. Könnte ich das stärkste architektonische ereignis, den palazzo Pitti, aus dem gedächtnis der zeitgenossen löschen und vom besten zeichner gezeichnet als konkurrenzprojekt einreichen lassen: das preisgericht würde mich ins irrenhaus sperren.
Heute aber herrscht der flotte darsteller. Nicht mehr das handwerkszeug schafft die formen, sondern der bleistift. Aus der profilierung eines bauwerkes, aus der art seiner ornamentierung kann der beschauer entnehmen, ob der architekt mit bleistift nummer 1 oder mit bleistift nummer 5 arbeitet. Und welche fürchterliche geschmacksverheerung hat der zirkel auf dem gewissen! Das punktieren mit der reißfeder hat die quadratseuche erzeugt. Keine fensterumrahmung, keine marmorplatte bleibt im maßstab 1:100 unpunktiert, und maurer und steinmetz müssen den graphischen unsinn im schweiße ihres angesichts
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 308. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/310&oldid=- (Version vom 1.8.2018)