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gar nichts essen?“ – „Nein, mein budget für heute ist bereits erschöpft.“

Also warst du genußsüchtig. Denn du warst am liebsten dort, wo zigeunermusik spielte, champagner getrunken wurde und die mädchen tanzten. Also warst du ein alkoholiker, mein lieber. Aber nein, kein mensch hat den alkohol so tief gehaßt wie du. Wie die kinder die bittere medizin verabscheuen, so graute dir vor wein und schnaps, getränken, die literweise auf deinem nachttisch standen und von denen du glasweise trinken mußtest, um dir den schlaf zu verschaffen. Aber bei tisch hätte es niemand vermocht, dir ein gläschen likör einzureden. Bier und champagner? Als das bier dir zum schlafmittel wurde – vierundzwanzig flaschen für die nacht –, da mußtest du auch deinen philisterhaften stammtischschoppen aufgeben.

Also waren es die frauen, die dich hinzogen. Aber du saßest in einem winkel und sprachst mit freunden und kümmertest dich nicht um die mädchen. Der walzer war dir verhaßt. Nur wenn eine amerikanische oder eine englische melodie ertönte, da konntest du zuhören, begeistert zuhören und mitsingen. Wie eine oboe klang deine stimme. Manchmal gefiel dir auch ein mädchen. Aber reden wolltest du mit ihr nicht. Mit deinen augen wolltest du sie genießen – jedes wort, das sie sprach, brachte dir eine enttäuschung.

Also warst du ein weiberfeind? Ja und nein. Aus deinen büchern wollten die leute herausgelesen haben, daß du der letzte troubadour gewesen seist. Wie enttäuscht waren sie, als sie dich sprechen hörten. Denn du kanntest die frau, du, der du eine frauenseele in deinem manneskörper trugst. Eine perverse frauenseele allerdings,

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Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 350. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/352&oldid=- (Version vom 1.8.2018)