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verbraucht daher mehr schuhwerk als jene leute, die ihre schuhe nachts über hölzer spannen.

Die ausstellung zeigt uns, seitdem die „unsittlichen“ schuhe verbannt wurden, nur tüchtiges schuhwerk. Daß es erst der unsittlichkeitserklärung bedurft hatte, schuhe zu entfernen, die keinen anderen zweck haben als den, die blicke der beschauer auf sich zu lenken, ist bedauerlich. Viel würdiger für den ganzen stand wäre es gewesen, wenn man diese schuhe ihrer unbrauchbarkeit wegen gleich von allem anfange an zurückgewiesen hätte. Wir wollen sehen, was unsere schuhmacher leisten können, ehrliche, tüchtige schusterarbeit, nicht, wie sie reklame machen können. Eine ausstellung sei ein fest der arbeit und nicht der reklame. Doch halt! Das schicksal der „unsittlichen“ schuhe verdienen auch drei paar, die wie straßenschuhe gearbeitet sind, grüne peluchesohlen haben, und von denen ein paar sogar mit golddruck, nach der art alter bucheinbände, versehen ist.

Wir können beruhigt sein. Wir in Österreich werden mit gutem schuhwerk in das kommende jahrhundert treten. Und gutes schuhwerk wird im nächsten jahrhundert nötig sein, denn das wird marschieren. Mit prophetischem blick hat Walt Whitman, der amerikaner, der größte dichter, den die germanen seit Goethe hervorgebracht haben, dieses jahrhundert gesehen. Er singt:

Stehen sie still, die alten rassen?
Fallen sie? Ist aus die lehre? Sind sie müde jenseits der see?
Nun der große ruf wird unser, und die last, und auch die lehre,
Pioniere! Pioniere!
Empfohlene Zitierweise:
Adolf Loos: Adolf Loos – Sämtliche Schriften. Herold, Wien, München 1962, Seite 97. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Loos_S%C3%A4mtliche_Schriften.pdf/96&oldid=- (Version vom 1.8.2018)