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am Fuße des Inselberges berichtet die Sage, daß sie Bergleuten, die vom Harzgebirge herüber gekommen, ihre Gründung verdanken, insonderheit Kawarz und Tabarz, die am Ausgange des Laugegrundes liegen, der einst Goldkörner geführt haben soll.

142.
Die weiße Frau auf Tennberg.

Ueber dem Städtchen Waltershausen erhebt sich das stattliche Haus Tenneberg, ein altes Schloß der Thüringer Landgrafen, noch baulich wohlerhalten und bewohnt. Einst war es Eigenthum und Vatergeschenk des Bastards Landgraf Albert des Entarteten, Apitz, der es aber bald wieder räumen mußte. Die Sage weiß vieles zu berichten von einer weißen Frau, die sich zur Nachtzeit erblicken läßt, hervorwandelt aus einem Thurme, in dem ihr Grab sein soll, und dessen Fenster bisweilen lichthell blinken sollen. Man sagt, diese weiße Frau sei der ruhelose Geist einer geheimnißvollen Fremden, die vor dreihundert Jahren an den Hof Johann Friedrich des Mittleren, Herzogs zu Sachsen kam, und aussagte, sie sei Anna von Cleve, geschiedene Gemahlin König Heinrich VIII. von England, die man zwar für tod ausgab, aber sie sei nicht gestorben, sondern der englischen Drangsal entflohen. Nun soll man aber auf die Vermuthung gekommen sein, jene Fremde sei nicht Anna von Cleve, Englands gewesene Königin, und habe sie auf Tenneberg eingekerkert, sehr übel behandelt, ja gefoltert, bis sie wahnsinnig wurde und sich selbst Teufelsumganges zieh. Sie saß in einem gemauerten Gewölbe des erwähnten

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/283&oldid=- (Version vom 1.8.2018)