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eine menschliche Wohnung, die ihm Obdach bot, er mußte demnach wohl oder übel die Nacht im Freien zubringen, und sich im ersten besten Busch eine Lagerstätte bereiten. Da jener Wanderer nun schlief, träumte ihm von einer Mühle und von einem nahe bei derselben liegenden schönen Dorfe. Mit Tagesanbruch erwachte er und setzte neugestärkt seinen Weg weiter fort, da kam er unversehens an eine Mühle, und es war ganz dieselbe, die ihm im Traume vorgekommen war, aber das Dorf war nicht dabei, vielmehr war es gar nicht vorhanden. Der Wanderer sprach beim Müller ein, erzählte diesem seinen Traum und bat ihn, sein Gehöft Träumersdorf zu nennen; hernachmals baute sich der Wanderer selbst dort an, andere folgten ihm, und so entstand allgemach der Ort, und wurde zu einer eigenen Pfarrgemeinde, und diese führt noch heute einen ruhenden und schlummernden Wandersmann im Siegel.


13.
Der Stelzener Heilbrunnen.

Ganz nahe bei der Kirche von Stelzen entspringt in einer anmuthigen, von mehreren hohen Lindenbäumen beschatteten Grotte eine frische Quelle, welche in alter Zeit als Heilbrunnen weit und breit berühmt war. Einem Kranken in der Nähe von Würzburg war die heilige Jungfrau im Traume erschienen, und hatte ihn nach jener Quelle gewiesen, aus welcher trinkend er Genesung schöpfte. Da nun dieser Kranke ein reicher Mann war, so erbaute er neben die Quelle ein Kapellchen, und nannte es Mariahilf,

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/30&oldid=- (Version vom 1.8.2018)